Das Zitat der Woche…
…stammt von Ministerpräsident Stephan Weil. Es bezieht sich auf das Corona-Virus und die Entscheidung von immer mehr Kreisen und kreisfreien Städten, die Großveranstaltungen abzusagen. Am Mittwoch schließlich verfügte das Land, dass überall in Niedersachsen Zusammenkünfte von mehr als 1000 Menschen unterbleiben sollen, auch kleinere Treffen müssten kritisch bewertet werden. Das Zitat der Woche lautet:
„Im Zweifel sollten wir den Gedanken ,Gesundheit geht vor‘ als den entscheidenden akzeptieren. Das sind Einbußen für uns persönlich, aber am Ende haben wir alle etwas davon.“
Damit spitzt sich die Krise immer mehr zu, demnächst wird das Lagezentrum im Innenministerium wohl die Regie übernehmen. Das Thema ist in der Öffentlichkeit heftig umstritten – auch in Niedersachsen. Die Landesregierung hatte noch Anfang der Woche, anders als etwa die Ministerpräsidenten in NRW und in Bayern, keine generelle Absage von Zusammenkünften von mehr als 1000 Menschen verboten. Aber Zug um Zug wurden auch die Töne, die von der Regierung in Hannover ausgesandt wurden, immer deutlicher und drastischer. Alle Bundesländer folgen damit mehr oder weniger konsequent einem Ratschlag, den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gegeben hat. Eine Gesundheitskrise hat die Politik im Griff, das ist eine Entwicklung, wie es sie in vielen Jahrzehnten niedersächsischer Geschichte so noch nicht gegeben hat.
Wie teilen sich in dieser Diskussion die Lager auf?
Die Befürworter von Absagen und Einschränkungen führen an, dass sie nicht etwa die Ausbreitung des Virus stoppen wollen. Das Ziel ist zwar grundsätzlich da, doch Fachleute halten das für wenig realistisch. Es gehe um die Verlangsamung der Verbreitung – und darum, Zeit zu gewinnen für die Entwicklung von Gegenmitteln und Schutz-Strategien. Viele treibt die Sorge um, in wenigen Tagen könnte sich nicht nur die Zahl der Infizierten erheblich vermehren, sondern auch die der schwer Erkrankten, die eine Versorgung im Krankenhaus benötigen. Dafür müssten die Kliniken gerüstet sein, das koste Vorbereitungszeit. Was zu den durchaus harten Einschränkungen beiträgt, ist die Ungewissheit, wie sich Corona entwickeln wird, wie bedrohlich und „tödlich“ dieses Virus wirklich ist – und wie lange es sich halten wird. Ob bei warmen Wetter alles wieder verschwindet? Alle hoffen es, aber niemand weiß es so genau.
Die Skeptiker der Absagen teilen sich in mehrere Gruppen auf. Manche meinen, in der Abwägung sei der wirtschaftliche Schaden eines lahmgelegten öffentlichen Lebens viel zu hoch, das stehe in keinem Vergleich zu einer Corona-Welle, die man nach den bisherigen Erkenntnissen mit einer Grippewelle vergleichen müsse. Andere sehen in der Debatte einen Ausdruck von Hysterie, sie leugnen die Gefahr und haben wenig Verständnis für die Ängste und Sorgen von Menschen, die jetzt beispielsweise zu Hamsterkäufen neigen. Wieder andere sprechen von „Symbolpolitik“ und halten das Ansteckungsrisiko nicht für aufhaltbar, solange die Menschen noch die U-Bahnen und Busse benutzen, sich mit anderen Menschen in großen Räumen aufhalten oder auch nur einen Einkaufsbummel unternehmen. Die Absage von Großveranstaltungen dient ihrer Meinung nach nur dazu, die Leute zu beruhigen und zu zeigen, dass die Regierung handlungsfähig ist.
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Die Gegner von Absagen halten die ganze Aufregung für übertrieben, wollen sich in ihrem Verhalten nicht maßregeln lassen oder vertrauen großflächig auf die Vernunftbegabung jedes einzelnen Menschen. Sie pochen auf Verhaltensregeln wie regelmäßiges Händewaschen, Verzicht auf Berührungen und Hautkontakte und stellen die Freiheit über die Sicherheit.
Der Ministerpräsident hat mit seinem Zitat und seinem ergänzenden Hinweis, er empfehle Gelassenheit, einen Beitrag zur Beruhigung der Diskussion geleistet. Gleichzeitig macht seine Einlassung deutlich, dass er die Absagen rundum befürwortet – auch wenn er meint, diese nicht selbst von oben anweisen zu müssen, sondern den Kommunen zu vertrauen. Damit beweist er Augenmaß und Vorsicht. Das ist auch eine Aufgabe der Politiker in solch aufgeputschten Zeiten: Sie dürfen die Neigung zur Panik, die bei vielen Menschen besteht, nicht noch verstärken.