Das Land muss mehr tun für die Frauenhäuser
Darum geht es: Der Landtag hat gestern darüber debattiert, wie sich die angespannte Situation bei der Belegung der Frauenhäuser verbessern lässt. Ein Kommentar von Isabel Christian.
Frauen haben ein Recht darauf, dass der Staat sie vor Gewalt schützt – auch im eigenen Zuhause. Dieses moralisch so selbstverständliche Recht ist im Hinblick auf die lange Geschichte unserer Gesetze noch skandalös jung. Noch bis 1997 war es höchstens Nötigung, wenn ein Mann seine Ehefrau zum Sex zwang. Aber keine Vergewaltigung. Das ist nun mal eheliches Recht und eheliche Pflicht, hatte man damals achselzuckend gesagt. „Der Schutz der Ehefrau als Staatsbürgerin, ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung: Mit dem Jawort ist beides so gut wie dahin“, schrieb die Kolumnistin Margrit Gerste im Mai 1997 denn auch erbost in einem Kommentar für die „Zeit“. Sie höhnte, dass sich das Parlament für die Änderung eines kleinen Strafrechtsparagrafen weitaus länger Zeit gelassen habe als für die Verträge mit der DDR. Nämlich ganze 25 Jahre. Heute gehört der Schutz der Frau vor Gewalt in allen Lebenslagen ganz selbstverständlich zu unserem Rechtssystem. Doch in der Realität stößt er an Grenzen. Auch wenn, wie Innenminister Pistorius sagt, ganz selten eine Frau wegen Überfüllung in keinem der 41 Frauenhäuser untergebracht werden kann: So etwas dürfe nicht vorkommen. Deshalb ist ein Rechtsanspruch auf einem Platz im Frauenhaus die nächste Stufe des Strafrechtsparagrafen 177, der im Mai 1997 in Kraft getreten ist.
Das bedeutet nicht, dass jetzt überall Frauenhäuser gebaut werden müssen. Denn in der Regel sind die 41 Frauenhäuser ja fast nie alle ausgelastet. Aber es muss dafür gesorgt werden, dass die staatliche Hilfe so ausgestaltet ist, dass keine Frau in einem Haus bleiben muss, in dem ihr Gewalt angetan wird. Eine bessere Vernetzung der Frauenhäuser für den besseren Informationsaustausch darüber, wo aktuell ein Platz frei ist, ist daher als erste, kurzfristige Lösung sinnvoll. Allerdings muss auch für die Frauen eine Lösung gefunden werden, die wegen einer Drogensucht oder Obdachlosigkeit oder einfach nur, weil sie ihren 13-jährigen Sohn bei sich haben wollen, nicht im Frauenhaus wohnen dürfen. Hier könnte man etwa über betreute Schutzwohnungen nachdenken. Denn auch diese Frauen müssen die Gewissheit haben, sofort aus ihrer gefährlichen Situation geholt zu werden.
Damit der Status quo überhaupt gehalten werden kann, muss endlich ein verbindliches, zukunftsfähiges Konzept zur Finanzierung eingeführt werden. Das Land kann sich nicht darauf berufen, dass es ja nur Unterstützungsleistung zahlt und die Kommunen die Hauptverantwortlichen sind. Vielerorts würden die Kommunen gern ein Frauenhaus einrichten oder erweitern, doch die Mittel dafür würden ihre Budgets sprengen. Es kann nicht sein, dass die Kommune erst mal die Gesamtfinanzierung stellen muss, um dann den Bonus vom Land zu bekommen. In Stade etwa ist der Landkreis Träger des kleinen Frauenhauses, das in der Regel nur zu 40 Prozent belegt ist. Dennoch zahlt die Kommune jährlich rund 120.000 Euro, vom Land kommen lediglich 50.000 Euro. Da ist es schon verständlich, dass sich viele Kommunen ein Frauenhaus nicht leisten wollen oder können. Dazu kommt, dass zwei Drittel der Frauenhäuser ohnehin durch Vereine oder andere private Träger betrieben werden. Einen Eigenanteil gibt es hier gar nicht, diese Häuser finanzieren sich in der Regel knapp durch die Einzelabrechnungen mit dem jeweiligen Landkreis, den Zuschüssen vom Land und privaten Spenden.
Ein Rechtsanspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus oder einer vergleichbaren Schutzeinrichtung kann hier bewirken, dass intensiver über die Kostenverteilung nachgedacht wird. Das Land wird sich stärker finanziell engagieren müssen. Zudem hätte das Recht auf einen Platz im Frauenhaus noch einen anderen Effekt: Er wäre für wirklich jede Frau zu haben. Denn momentan kann zwar jede Frau ins Frauenhaus ziehen. Voraussetzung ist aber, dann sie ihren Aufenthalt selbst bezahlen kann oder Sozialleistungen bekommt. Für eine Frau mit einem schmalen Einkommen dagegen ist das Frauenhaus ein Luxus. Und genau das konterkariert die eigentliche Idee eines Frauenhauses. Frauen sollten sich selbst an den Kosten für ihren Aufenthalt im Frauenhaus nicht beteiligen müssen. Es soll ein Ort der Zuflucht sein, an dem sie sich sammeln und neue Kraft schöpfen können. Kein Ort, an dem sie darüber nachdenken müssen, ob sie sich die Hilfe überhaupt leisten können.