Darüber spricht gerade niemand…
Alle reden über Corona. Deshalb fallen viele andere Themen unter den Tisch. Das Politikjournal Rundblick lässt Politiker zu jenen Themen zu Wort kommen, über die zurzeit niemand spricht. Der dritte Teil unserer #AllesAusserCorona-Serie: Jörn Domeier und die Lebendtiertransporte.
Noch vor ein paar Monaten war das ein großes Aufregerthema: Unter welchen Bedingungen werden eigentliche Kühe und Kälber aus Niedersachsen in die weite Welt verschickt? Und was passiert mit ihnen, wenn sie nach tagelanger Fahrt angekommen sind? Doch seitdem die Corona-Krise im Vordergrund steht, spricht da niemand mehr drüber.
#AllesAusserCorona
Teil 1: Dunja Kreiser und die Nazi-Kennzeichen
Teil 2: Laura Hopmann und die Hebammen-Zentralen
Jörn Domeier, Agrarpolitiker der SPD-Fraktion, wünscht sich, dass diese Debatte weiterhin öffentlich begleitet wird. Seine Fraktion hatte einen Stopp der Tiertransporte in Drittstaaten der EU gefordert, bis geklärt ist, ob die europäischen Standards von Anfang bis Ende eingehalten werden können. Das niedersächsische Agrarministerium tat sich mit einem solchen Moratorium zunächst schwer. Andere Bundesländer hatten vergleichbare Transportstopps verhängt, im Agrarministerium hielt man die für rechtlich angreifbar.
In ihren „Leitlinien für Grenzschutzmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Gewährleistung der Verfügbarkeit von Gütern und wesentlichen Dienstleistungen“ degradiert die EU-Kommission Tiere zur Ware: Tiere zählen zu den „essentiellen Gütern“, deren Beförderung nicht durch Kontrollmaßnahmen beeinträchtigt werden sollen.
Domeier kritisiert im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick, dass Tiere einmal mehr zur Ware degradiert würden. „Statt lebende Tiere weit über die Landesgrenzen hinaus zu transportieren, sollte endlich die Alternativen angewendet werden.“ Für den Zuchtaufbau in anderen Ländern gebe es seiner Ansicht nach „bessere Alternativen als trächtige Färsen zu transportieren, die auch an den klimatischen Bedingungen im Zielland nicht angepasst sind.“ Beim reinen Fleischtransport sollte der Kühlwagen zur Pflicht werden, auch wenn dieser mehr kosten mag, als der Lebendtiertransport, so Domeier.
Für den SPD-Politiker stellt sich nun die Frage, wie mit den Folgeproblemen umgegangen werden soll. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick beschreibt er verschiedene Schwierigkeiten, an die gedacht werden muss. Wie wirkt sich der Exportstopp auf die Lieferketten aus? Und was heißt das dann für die hiesige Landwirtschaft? Denn solange in Niedersachsen Milch produziert wird, wird es weiter Kälber geben, die irgendwo hingebracht werden müssen. Wird der Landwirt nun gezwungen, die Tiere großzuziehen, ohne dass er daran etwas verdienen kann? Der Preis für Kälber sinkt aktuell drastisch. Vor kurzem brachte ein Kalb nur noch 8 Euro, inzwischen zahlt der Landwirt wohl drauf. Oder sollte in Folge der Lieferstopps auch die Milchproduktion heruntergefahren werden?
Eine Debatte darüber, wer in Zukunft noch Milch erhält und wer nicht, will Domeier auf keinen Fall bekommen. Deshalb hofft er darauf, dass zügig Antworten auf die drängenden Fragen gefunden werden.
…und dann gibt es da doch etwas Corona:
Auch das Thema Lebendtiertransporte hat eine Verbindung zur Corona-Pandemie. Denn aufgrund der verschärften Grenzkontrollen kommt es auch zu längeren Wartezeiten bei Tiertransporten an den Grenzen, wodurch sich die Transportdauer noch weiter verlängert.
Jörn Domeier erklärt dazu: „Es besteht im Moment die ungewöhnliche Situation, dass es innerhalb Europas wieder Grenzen gibt, die erschwert passierbar sind. Dadurch wird das Leid, der Tiere auf den Transporten enorm vergrößert. Nachdem der Schutz der Tiere längst nicht mehr gewährleistet ist, müssten die Transporte in alle Nicht- EU Länder gestoppt werden und darüber hinaus auch die langen Transporte innerhalb der EU auf den tierschutzrechtlichen Prüfstand gestellt werden.“
Miriam Staudte, Agrarpolitikerin der Grünen-Fraktion, kritisierte ebenfalls die anhaltende Praxis der langen Tiertransporte ins Ausland. Ihrer Ansicht nach verschlechtert sich die Lage für die Tiere durch die Corona-Krise nun noch zusätzlich, da es an den Grenzen zu „qualvoll langen Wartezeiten“ komme. Die Grünen-Politikerin fordert Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) auf, die Transporte zu stoppen.