Darum geht es: Die AOK hat zusammen mit dem Wirtschaftsministerium und den Arbeitgebern eine Studie gestartet, die die Auswirkungen eines digitalen Arbeitsumfelds auf die Gesundheit der Mitarbeiter untersuchen soll. Dazu ein Kommentar von Isabel Christian.

Zwei ehemalige Schulkameraden treffen sich nach Jahren zufällig in einem Restaurant wieder, der eine lädt den anderen gleich zu sich an den Tisch ein. Ohne viel Federlesens knallt er dem Gast drei Fotos hin: „Mein Haus, mein Auto mein Boot.“ Der andere wiederum überlegt und kontert dann mit Fotos von einem größeren Haus, einem dickeren Sportwagen, einer breiteren Yacht sowie einem Swimmingpool und einem Reitpferd. Mit diesem Clip warb eine Bank vor gut zehn Jahren um Kunden für ihre Anlagenberatung. Heute würde der Werbespot wohl nur noch bei älteren Arbeitnehmern verfangen, wenn überhaupt. Die Jüngeren, auch Generationen X und Y genannt, haben sich längst andere Statussymbole gewählt. Das wichtigste ist mit Geld nicht zu bezahlen und ein immer knapper werdendes Gut. Es ist die Zeit.

Man darf das nicht falsch verstehen, die Generationen X und Y sind nicht faul. Sie setzen nur andere Prioritäten

Industrie und Baugewerbe spüren ihn schon, den Fachkräftemangel, und bald wird er auch andere Berufsfelder erreichen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden bei den meisten Unternehmen nicht mehr Assessment-Center darüber entscheiden, welcher Bewerber den Job bekommt. Sondern der Bewerber wird auswählen, welches Unternehmen ihm am meisten zusagt. Deshalb ist es notwendiger denn je, wenn sich Unternehmer damit beschäftigen, was die Generationen X und Y wollen. Junge Arbeitskräfte wollen sich nicht kaputt arbeiten, um in ein paar Jahren mit dem Mercedes durch die Stadt fahren zu können. Sie wollen auch nicht von frühmorgens bis spätabends im Büro sitzen, um es irgendwann einmal in eine gut dotierte Leitungsposition zu schaffen, mit der sie auf der nächsten Cocktailparty angeben können. Immer öfter sind junge Arbeitnehmer sogar bereit, auf ein höheres Gehalt zu verzichten, wenn sie dafür mehr Freizeit haben. Sie wollen reisen, Hobbys pflegen und Zeit mit ihrer Familie verbringen. Das Geld ist bei vielen dafür nur Mittel zum Zweck. Man darf das nicht falsch verstehen, die Generationen X und Y sind nicht faul. Sie setzen nur andere Prioritäten.

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Daher ist es angesichts des Fachkräftemangels nur eine logische Konsequenz, eine Studie aufzulegen, in der es um die Gesundheit von Arbeitnehmern in der sich stetig weiter digitalisierenden Welt geht. Und der nächste Schritt, die Anpassung der Arbeitsgesetze an diese veränderte Situation, ist genauso vorgezeichnet. Doch es muss sich auch etwas verändern, was man nicht gesetzlich einfordern kann: Ein engeres Verhältnis gegenseitigen Vertrauens und Unterstützung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern muss sich entwickeln.

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Dass es dem Ansehen der Chefs bei den Mitarbeitern schadet, wenn von ihnen permanente Erreichbarkeit gefordert wird oder sie nach Dienstschluss zu Hause noch arbeiten sollen, ist in den Führungsetagen mittlerweile angekommen. Doch man darf es ihnen umgekehrt auch nicht verbieten. Viele verlassen das Büro früher, um mit den Kindern zu Abend zu essen, und bearbeiten Mails, wenn der Nachwuchs im Bett liegt. Sich Arbeit und Freizeit flexibel einteilen zu können, gewinnt einen immer höheren Stellenwert bei jungen Arbeitnehmern. Chefs sollten ihren Mitarbeitern deshalb klarmachen, dass sie nicht wollen, dass ihre Mitarbeiter sich verbiegen müssen, um Freizeit und Arbeit zusammenzubringen. Statt Stunden zu zählen, sollte die Erledigung der Aufgaben der Richtwert sein.

Auf der anderen Seite sollten Mitarbeiter ihren Chefs klar sagen, was sie sich in puncto Arbeitszeitgestaltung wünschen. Wann sind sie überfordert, wann kann es ruhig ein bisschen mehr sein? Ein Geschäftsführer, der die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter kennt und auf sie eingeht, hat es leichter, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Deshalb sind Studien zu den Folgen der Arbeitswelt auf die Gesundheit ein Weg in die richtige Richtung. Wichtiger noch ist ein kontinuierlicher Diskurs zwischen Chefs und Mitarbeitern, bei dem jede Seite der anderen mit Vertrauen begegnet.