Kurz vor dem gestrigen Landtagsbeschluss, den neuen Vergabe-Untersuchungsausschuss einzusetzen, haben CDU und FDP im Landtag einen neuen Vorwurf an die Landesregierung gerichtet: Im Fall einer weiteren Auftragsvergabe sollen die Vorschriften, die eingehalten werden müssen, missachtet worden sein. Es geht um die Vorbereitungen für den neuen Slogan „Niedersachsen. Klar.“, der im vergangenen Herbst als neues Erkennungszeichen des Landes festgelegt wurde. Im September stellte Ministerpräsident Stephan Weil den neuen Claim vor, die Auftragsvergabe ist vorher in der Staatskanzlei entschieden worden. Der Obmann der CDU im Untersuchungsausschuss, Uwe Schünemann, sprach von „Merkwürdigkeiten“ rund um diesen Fall. So sei Michael Kronacher, der schon öfter staatliche Aufträge zu SPD-Regierungszeiten erhalten habe, als Berater beschäftigt worden und habe Workshops veranstaltet. Als es später zur Auftragsvergabe kam, habe man auf die vorgeschalteten Workshops, die Kronacher einen Startvorteil verschafft hätten, nicht hingewiesen. Neben Kronacher seien zwei Mitbewerber angeschrieben worden, die allerdings in nur acht Tagen ein Angebot hätten abgeben sollen. So sei Kronacher zum Zuge gekommen, der als einziger ein Angebot eingereicht habe. Die Auftragssumme von anfänglich 45.000 Euro sei um weitere 40.000 Euro erhöht worden. „Das sieht aus wie Filz, manche sagen: Genossenfilz“, sagte Schünemann.

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Im Untersuchungsausschuss, der mit der Zeugenvernehmung vermutlich erst im August beginnen wird, kann der von Schünemann erwähnte Fall auch beraten werden – obwohl sich der Ausschuss schwerpunktmäßig auf Entscheidungen im Umfeld von Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) konzentriert. Im Untersuchungsauftrag ist aber auch die Befassung mit Vergaben in anderen Ressorts und in der Staatskanzlei vorgesehen. Der Ausschuss muss nun zunächst Einsicht in Akten beantragen, das Kabinett muss die Freigabe dieser Unterlagen beschließen. Dafür dürften einige Wochen vergehen, in Kürze aber beginnen bereits die Sommerferien.

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In der Landtagsdebatte um diesen Ausschuss kochten die Emotionen hoch. Grant Hendrik Tonne (SPD) warf der Opposition vor, „aus einem Märchenbuch vorzulesen“. Tatsächlich seien Fehler passiert, aber Minister Lies habe begonnen, die Vorgänge aufzuklären und die Mängel zu beseitigen. Für CDU und FDP würden nun die früheren Minister Schünemann und Jörg Bode (FDP) antreten, die in ihren Amtszeiten fehlerhafte Vergaben zu verantworten hätten. Schünemann wies daraufhin Tonnes Vorwurf zurück, bei den Auftragsvergaben an den Kommunal-Gutachter Joachim Jens Hesse seien Vorschriften nicht beachtet worden. Die Fehler in seiner Amtszeit beträfen nachgeordnete Behörden. Der FDP-Mann Bode betonte, der Ausschuss zu den aktuellen Vorgängen sei nötig, weil nur Zeugenvernehmungen die Ungereimtheiten in den Akten aufhellen könnten. Schünemann hatte zuvor noch erklärt, im Fall der umstrittenen USA-Repräsentanz in Chicago könne Lies selbst stärker als bisher bekannt belastet sein. Für den Probebetrieb hatte hier eine Tochter der Deutschen Messe AG den Auftrag bekommen. Nach Schünemanns Worten wird Lies vorgehalten, vor Wochen gegenüber einem anderen Interessenten geäußert zu haben, dass die Messe-Tochter den Zuschlag bekommen solle. Damit habe er persönlich Einfluss auf die Auftragsvergabe genommen.