CDU plant Verbot des „Schächtens“ – und löst damit energische Proteste von Juden aus
Das sogenannte „Schächten“, also das betäubungslose Töten von Tieren aus religiösen Gründen, wird in Niedersachsen bisher als Ausnahme erlaubt. Jetzt plant die niedersächsische CDU-Landtagsfraktion, diesen Ausnahmen einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick beschloss die Landtagsfraktion am Dienstag einstimmig, ein Verbot zu prüfen – allen juristischen Bedenken zum Trotz. Die Gegner des Schächtens erklären, die Tiere würden Todesängste erleiden und die Schmerzen spüren. Bei einer vorherigen Betäubung sei das nicht der Fall, deshalb dürfe es von der Betäubung künftig keine Ausnahmen mehr geben.
Vor dem islamischen Opferfest, das gestern zu Ende gegangen ist, hatten Landesbehörden einem Schlachtbetrieb die Genehmigung zur betäubungslosen Tötung von maximal 200 Schafen und Ziegen erteilt. Vor allem muslimische Verbände befürworten und zelebrieren das Schächten, die Genehmigungen beziehen sich auch ausnahmslos auf diesen Bereich. Scharfe Kritik an den Plänen der CDU kommt aber auch vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen. „Die Pläne der Christdemokraten sind ein Affront, den wir nicht akzeptieren werden – das wird unseren entschiedenen Protest auslösen“, erklärte ihr Vorsitzender Michael Fürst auf Anfrage des Politikjournals Rundblick.
Die Pläne der Christdemokraten sind ein Affront, den wir nicht akzeptieren werden – das wird unseren entschiedenen Protest auslösen.
Zwar wird nach Angaben von Fürst das meiste Fleisch von geschächteten Tieren, das orthodoxe Juden hierzulande verzehren, aus benachbarten Staaten wie den Niederlanden oder Israel importiert. Aber er verstehe nicht, warum die CDU hier bei einem Thema vorpresche, das bisher die AfD bedient habe. „Das geht so weit, dass bald einige Juden sagen werden, sie könnten unter diesen Umständen nicht mehr in Deutschland leben.“ Für seine Gemeinden kündigte Fürst „heftige Gegenwehr“ an. Fraglich sei nämlich der Wahrheitsgehalt der Behauptung, ein geschächtetes Tier würde mehr Schmerzen erleiden als eines, das vor der Schlachtung betäubt wurde. „Schächter sind in der jüdischen Tradition hoch angesehene Leute, die das Tier mit dem gezielten Schnitt so töten, dass augenblicklich alle Lebensfunktionen zum Stillstand kommen.
Geschächtete Tiere erleiden einen besseren Tod als solche, die oft nach langen und qualvollen Transportwegen betäubt wurden – denn trotz der Betäubung ist von einem Schmerzempfinden auszugehen. Das gilt etwa bei der Anwendung von Bolzenschussgeräten.“ Einen kurzen Disput in dieser Frage hatte es zwischen CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer auf der einen, Fürst und dem Vertreter der Palästinensischen Gemeinde in Hannover, Yazid Schammout, auf der anderen Seite gegeben. Fürst plant jetzt ein baldiges Gespräch mit den Vertretern aller muslimischen Verbände, um ein gemeinsames Vorgehen gegen die neue Position der CDU abzustimmen.
BVG hatte das Schächten grundsätzlich zugelassen
Niedersachsen setzt sich schon seit vielen Jahren für strengere Vorgaben vor einer Erteilung von Ausnahmen ein – wohlwissend, dass die Religionsfreiheit im Grundgesetz einen höheren Wert genießt als der Tierschutz, der dort lediglich als Staatsziel formuliert ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte deshalb 2002 auch das Schächten grundsätzlich zugelassen. Vor Jahren war in den Gesprächen über einen Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden geplant worden, eine Aussage zum Schächten aufzunehmen – doch das Ansinnen scheiterte.
Im vergangenen Jahr unternahm das Agrarministerium einen Versuch, mit den elf muslimischen Religionsgemeinschaften, die von der Ausnahmeerlaubnis für einen Schlachtbetrieb Gebrauch machten, zu sprechen. Dabei wurde auch versucht, den Einsatz von Elektroschockern zu empfehlen – also einer Kurzzeitbetäubung. Wie das Ministerium mitteilt, stieß das jedoch bei den muslimischen Verbänden nicht aus positive Resonanz, die Verbände hätten kaum Interesse an dem Dialog gezeigt. Einzelne Schlachthöfe indes wenden diese Kurzzeitbetäubung dennoch an.
Angeblich würde die CDU-Landtagsfraktion eine solche Methode auch akzeptieren. Bekannt ist unterdessen, dass tendenziell viele Vertreter der SPD in der Großen Koalition den Belangen der Muslime und den Ritualen der muslimischen Organisationen aufgeschlossener gegenüberstehen als viele Vertreter der CDU. Die Migrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf (SPD) lehnte es gegenüber dem Politikjournal Rundblick allerdings ab, die Überlegungen der CDU zu kommentieren. Bisher habe sich nur die AfD klar zum Thema Schächten geäußert – und auf diese Haltung reagiere sie öffentlich nicht.