Drei Monate ist die Landtagswahl nun her, und das Ergebnis war für die Christdemokraten eher enttäuschend – die lange Zeit vorher gepflegte Erwartung, wieder stärkste Partei im Land zu werden, erfüllte sich nicht. Die CDU landete auf Rang zwei hinter der SPD und ist heute daher nur Juniorpartner in der Großen Koalition. Noch immer wird in der CDU über die Ursachen und Fehlentwicklungen intern heftig diskutiert. Der Landesvorstand bat dazu die Kreisvorsitzenden und Mandatsträger von Bundestag und Landtag zur Klausurtagung nach Walsrode. Am zweiten Tag nutzte Parteichef Bernd Althusmann die Gelegenheit, den Parteifreunden ins Gewissen zu reden.

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Die zuvor intern geäußerte Kritik ist vielfältig. Die Wahlkampfführung sei holprig gewesen, auf die Debatte über den Übertritt von Elke Twesten zur CDU habe die Partei nicht angemessen reagiert, die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Stephan Weil sei unterschätzt worden und beim Thema VW hätten abwertende Äußerungen eines Koblenzer CDU-Bundestagsabgeordneten über das VW-Gesetz zu einer Anti-CDU-Kampagne der IG Metall geführt. In der Klausurtagung rügten einige Funktionsträger, dass die Landesgeschäftsstelle darauf nicht vorbereitet gewesen sei. Hilflos habe die Partei dem Agieren der Gewerkschafter gegenübergestanden. Dass heute die CDU Bernd Althusmann als Wirtschaftsminister in den VW-Aufsichtsrat schicke, obwohl im Wahlkampf die Entsendung eines „Fachmanns“ in dieses Gremium angekündigt wurde, sehen manche der CDU-Funktionsträger ebenfalls mit Skepsis. Einige wünschen sich mehr Distanz zur VW-Spitze, einen „Kulturwandel“. Andere widersprechen und fordern ein klareres CDU-Bekenntnis zu VW.

CDU diskutiert über interne Reformen

Althusmann griff die Hinweise auf, eignete sich einige davon an und bat die CDU, den Blick jetzt „nach vorn zu richten“. Ja, meinte der CDU-Landeschef, in Wolfsburg oder Gifhorn sei die CDU im Wahlkampf von der IG-Metall-Kampagne überrollt worden. „Wir sind unter die Räder gekommen“. Außerdem habe es keine Wechselstimmung gegeben, und die CDU habe den Übertritt von Elke Twesten „nicht richtig kommuniziert“, dieser Schritt habe der Partei „zum Teil auch geschadet“. Gern hätte er einen Fachmann in den Aufsichtsrat entsandt – „aber Herr Weil bestand darauf, selbst dort zu sitzen“, deshalb habe es Spielraum dafür nicht gegeben. Nachdrücklich appellierte Althusmann an die Funktionsträger seiner Partei, „den Zuschauerbereich zu verlassen“ und sich „in den Innenbereich der Arena zu begeben“. Die CDU sei nun in der Regierung, also sollten sich die Christdemokraten auch daranmachen, offen und ehrlich über die Themen zu diskutieren. Dabei dürften die Mandatsträger von Landtag, Bundestag und Europaparlament nicht besserwisserisch auftreten, sie müssten Kritiker ernster nehmen und einbeziehen. Das „Glaskuppelphänomen“, das besagt, dass die Volksvertreter meinen, auf alles die richtige Antwort zu haben, störe ihn zunehmend.

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In der CDU-Klausurtagung wurde auch über interne Reformen debattiert. Althusmann schlägt vor, dass „notleidende Regionen der CDU“ (Süd- und Ostniedersachsen, sowie Ostfriesland) verstärkt Solidarität erfahren von den erfolgreicheren CDU-Verbänden im Westen und Nordosten Niedersachsens. „Der Stärkere hilft dem Schwächeren, das wäre ein guter Weg“. Er könne sich vorstellen, den 48 CDU-Kreisverbänden ein Ziel zu setzen – aus den derzeit 60.000 CDU-Mitgliedern in 15 Jahren 80.000 zu machen. Das könne geschehen, indem etwa die Beitragseinnahmen vorübergehend in den Kreisverbänden verbleiben und nicht an den Landesverband abgeführt werden müssen. „Es ist nur ein Vorschlag, das könnte man aber für ein Jahr so machen“, erklärte Althusmann. Die Frauenförderung müsse wesentlich verstärkt werden, jeder Kreisvorsitzende solle jetzt schon anfangen nachzudenken, welche Frau an welcher Stelle bei der Kommunalwahl 2021 kandidieren kann. Und wenn es um die nächste Landtagswahl 2022 gehe, komme es jetzt schon darauf an, selbstbewusst und hoffnungsfroh aufzutreten. „Wir brauchen eine neue Aufbruchstimmung in Partei. Sie ist schon da, aber wir können sie noch stärker entfachen“, meinte Althusmann. Auf keinen Fall dürften sich die Christdemokraten von der Hypothese anstecken lassen, jeder Juniorpartner in einer Koalition werde bei der folgenden Wahl „gerupft“. „Das ist doch kein Naturgesetz, auch wenn manche das so meinen. Und je mehr wir uns das selbst einreden, desto eher könnte es tatsächlich so kommen. Wir werden im Gegenteil gestärkt aus der Regierung hervorgehen. Das muss unsere Botschaft sein.“

Eindruck von der CDU-Klausur in Walsrode – Foto: kw

In der CDU-Klausurtagung stellten die neuen christdemokratischen Landesminister ihre Arbeitsprogramme vor. Viel Applaus erntete dabei vor allem die neue Justizministerin Barbara Havliza. Sie erklärte, dass künftig keine verschleierte Frau mehr als Angeklagte oder Zeugin vor Gericht erscheinen dürfe, auch Zuschauerinnen sollten auf Verlangen ihre Kopfbedeckung ablegen müssen. „Das ist unsere System – wir treten uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Außerdem kann jeder Richter im Gesicht eines auch dauerhaft schweigenden Angeklagten viel ablesen.“ Am liebsten, sagt Havliza, sei ihr hier eine bundesgesetzliche Regelung. Im Landesgesetz wolle sie festlegen lassen, dass Richter, Staatsanwälte und Schöffen keine religiösen Symbole mehr zeigen dürfen. „Die Neutralitätspflicht vor Gericht erfordert das.“ (kw)