CDU bläst zur Attacke auf die SPD und schont die Grünen mit freundlichem Nichterwähnen
Mit der Mobilisierung hat es zu Beginn des Landesparteitags noch nicht so gut funktioniert. Zu den Beats der Queen-Hymne „We Will Rock You“ eröffnete CDU-Landesgeneralsekretär Sebastian Lechner am Freitag den ersten Präsenzparteitag seiner Partei seit zwei Jahren. Doch beim rhythmischen Klatschen haben die Delegierten nicht so mitgemacht, wie der Parteimanager sich das erhofft hatte. Später im Verlauf des Tages sollte sich das ändern, und erst recht am zweiten Tag, nachdem Lechner den Leitantrag eingebracht hatte. Doch zunächst war die Euphorie eher schwach ausgeprägt. Vielleicht lag das auch daran, dass den knapp 300 Delegierten in der Emsland-Arena in Lingen noch nicht so recht zum Feiern zu Mute sein wollte. Wie eine dunkle Wolke lag die drohende Energiekrise über dem langersehnten Wiedersehen. Noch sind die dramatischen Auswirkungen, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die wachsende Inflation haben werden, nicht für jedermann zu spüren. Doch diejenigen, die sich bereits damit beschäftigen, blicken äußerst sorgenvoll in die Zukunft – so auch Spitzenkandidat und Landeschef Bernd Althusmann.
Aber auch Althusmann weiß: Der Bote schlechter Nachrichten wird anschließend selten belohnt. Und so ergibt sich für die Union in Niedersachsen die Herausforderung, zwar den Ernst der Lage klar benennen zu müssen – aber trotzdem „Mut, Motivation und Kampfesgeist“ zu verkörpern, wie es Lechner in seiner Begrüßung ausdrückte. Zur Einstimmung auf den anlaufenden Wahlkampf gab der Generalsekretär drei klare Ziele aus: Die CDU solle bei der Landtagswahl am 9. Oktober stärkste Kraft werden, Rot-Grün soll verhindert und Bernd Althusmann Ministerpräsident werden. Doch wie will die CDU das anstellen? Drei Schlaglichter auf den Parteitag:
Zwischen Krise und Zuversicht
Vom ersten Moment seiner Rede an drückte Althusmann aus, dass die Zeiten keine leichten sind. Mit ernstem Tonfall fing er an und gab sich direkt kämpferisch. Vorbei sind die Parteitage der weißen Hemden und der hochgekrempelten Ärmel. Klassisch in Anzug und Krawatte gab sich der Spitzenkandidat nicht locker, sondern staatstragend. Die Prognosen für den Herbst und für die kommenden zwei Jahre sind mehr als düster. Doch wie bedrückend die Zukunft ist, haben offenbar viele noch nicht verstanden. „Liebe Freunde, da kommt eine Riesenwelle auf uns zu“, sagte Althusmann an einer Stelle und verwies auf Berechnungen, die in ein paar Monaten eine Teuerungsrate von 600 Prozent ankündigen.
An einer anderen Stelle erklärte Althusmann, dass „einem Viertel der Deutschen das Abgleiten in die Energiearmut droht“ und fragte: „Können wir uns das eigentlich vorstellen?“ Von der Bundesregierung komme aber keine Antwort, kein Konzept, kritisierte er. „Wir spüren alle: Wohlstand und Sicherheit – das ist alles kein Selbstläufer mehr.“ Es sei nun an der Zeit, sich etwas zuzumuten und auch harte Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig aber wollte Althusmann Zuversicht ausstrahlen und seine Partei frohen Mutes in den Wahlkampf führen. Mit „Mut, Optimismus und Gottvertrauen“ wolle er in den Wahlkampf ziehen und ein Signal der Zuwendung geben. Die CDU solle die „Partei entschlossener, zupackender Politik“ sein, die Niedersachsen nun brauche. Das „Können, Machen, Dürfen der Menschen“ wolle er in den Mittelpunkt seiner Politik stellen.
Gestalten statt verwalten
Althusmann reklamiert für sich einen Gestaltungsanspruch für das Land, aus dem heraus er seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten ableitet. Es gehe ihm darum, „in der Zeit des Umbruchs das Land mutig und entschlossen in die Zukunft zu führen“ mit Kraft, Ideen und Leidenschaft, die sich im Regierungsprogramm niedergeschlagen hätten. Althusmann kündigte an, die Krise auch dafür nutzen zu wollen, Niedersachsen als „Schlüsselland“ in den Fragen der Zukunft aufzustellen – nicht zuletzt als Garant für Energiesicherheit. In seiner Rede grenzte sich Althusmann vom derzeitigen Ministerpräsidenten Stephan Weil und dem Koalitionspartner SPD mit deutlichen Angriffen ab. Er stellte Weil und die Sozialdemokraten als ideenlose Verwalter dar, die nichts mehr gestalten wollten. „Gestaltungsanspruch ist mehr als Stuhlkreisbilden in der Krise“, sagte der CDU-Politiker. Dass der Ministerpräsident erst nach der Sommerpause über Entlastungen für die Bürger habe reden wollen, wie er jüngst im Landtag gesagt habe, löste bei den Christdemokraten wiederholt Kopfschütteln aus.
Auf die Frage, wie sich das Land entwickeln solle, spüre er bei den Sozialdemokraten „überhaupt nichts“, sagte Althusmann. „Selbstgefälligkeit reimt sich nicht auf Innovation, reimt sich nicht auf Fortschritt.“ Das Leitmotiv von Althusmanns Rede war unterdessen eine Variation des Wortes Verlässlichkeit. Er sagte, er wolle einen Wechsel im Politikstil. Zum Ausdruck brachte er das etwa in dem Begriff der „Handschlag-Politik“. Dahinter stehen zwei Ziele, die seinen anderen Politikstil charakterisieren sollen. Zum einen eben die Verlässlichkeit: eine Zusage, die die Regierung macht, muss auch eingelöst werden. Und zum anderen eine Kritik an aufgeblähten Verwaltungen und langwierigen Genehmigungsverfahren.
Trio gegen die Ampel
Während sich Althusmann an den Sozialdemokraten abarbeitete, wurden die Grünen ihrerseits mit freundlichem Nichterwähnen ausgezeichnet. In seiner Rede verlor er kaum ein Wort über sie, allein Rot-Grün als Koalition bezeichnete er als „out“. Der CDU-Spitzenkandidat beschwor hingegen eine Allianz, die ein Gegengewicht zur Ampel in Berlin bilden solle. Symbolisch suchte er den Schulterschluss mit Daniel Günther, der nicht persönlich erscheinen konnte, und Hendrik Wüst – den beiden Wahlsiegern und Ministerpräsidenten aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Althusmann erklärte, er wolle im Oktober das Trio komplettieren. Hinter diesem Schulterschluss steckt aber auch eine andere Botschaft: eine weit ausgestreckte Hand in Richtung der Grünen, denn sowohl Günther als auch Wüst sind in ihren Ländern Bündnisse mit der Ökopartei eingegangen.
Ganz ohne Seitenhiebe gegen den kleineren politischen Mitbewerber ging der Parteitag aber nicht vorbei. Erst verwies David McAllister in seinem Bericht aus Brüssel auf die Grünen, deren moralische Standards zu hoch seien, um mit Kanada ein Freihandelsabkommen abzuschließen. Tags darauf kündigte Generalsekretär Lechner bei der Einbringung des Wahlprogramms an, „keine Kuriositäten zulassen“ zu wollen. Als Beispiel nannte er einen Fall des Feuerwehr-Übungszentrums in Celle-Scheuen, wo die Feuerwehr bei ihren Übungen keinen Schaum einsetzen dürfe, weil es dort eine gefährdete Frosch-Art gebe – eine kleine Spitze gegen die Umweltpartei, die erwartungsgemäß gut ankam bei den Delegierten.
Unterrichtsgarantie, Strafmündigkeit und Clan-Kriminalität
Am Ende seiner bald einstündigen Rede unternahm Althusmann noch einen Parforceritt durch das Wahlprogramm, das dann am Sonnabend einstimmig beschlossen wurde. In Niedersachsen soll es ein „Kinderministerium“ geben, ebenso eines für Digitalisierung, dafür keines mehr für Bundes- und Europaangelegenheiten. Althusmann sprach sich für ein Gesellschaftsjahr für die Jugend aus, äußerte sich aber deutlich ablehnend zum Bildungsföderalismus. Die CDU möchte eine Unterrichtsgarantie geben und eine Bildungsprämie ausloben. Gegen Clankriminalität solle Niedersachsen künftig so entschieden vorgehen, wie es Nordrhein-Westfalen getan habe; und auch die Strafmündigkeit bei Kindern müsse angefasst werden, so Althusmann. Für die Wirtschaft soll es ein europäisches Belastungsmoratorium geben, das letztlich auch die Landwirtschaft betreffen könnte. Weitere „rote Gebiete“ dürfe es nicht geben, sagte der CDU-Chef und erntete viel Applaus. Zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft setzte sich dann in den Antragsberatungen die Junge Union mit der Forderung nach einem Niedersachsen-Label durch.
Am Ende dauerte der Parteitag nicht so lange, wie ursprünglich veranschlagt war. Zügig wurde das Programm, das zuvor in einem monatelangen Beteiligungsverfahren erarbeitet worden war, von den Delegierten beschlossen. Mehr als 500 Änderungsanträge wurden recht zügig abgehandelt, nur an einigen Punkten entzündeten sich kontroverse Debatten. Die Linie steht, Details kommen dann später. So stellt sich Althusmann seine Regierungsarbeit vor. Am Ende gelte der Spruch: „Jo, wir sind verlässlich. Handschlag drauf.“
Dieser Artikel erschien am 11.07.2022 in der Ausgabe #129.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
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