16. Nov. 2020 · 
Landwirtschaft

Bundesumweltministerin blockiert Niedersachsens Wolfspolitik

Hat tatsächlich jemand erwartet, dass es jetzt ganz schnell und einfach gehen wird? In der vergangenen Woche hat die niedersächsische Landespolitik zwei wichtige Weichen für die weitere Wolfspolitik des Landes gestellt. Am Montag befasste sich das Kabinett mit der neuen Wolfsverordnung von Umweltminister Olaf Lies (SPD), die den Rahmen für eine Entnahme, also das gezielte Töten eines Problemwolfes klar regelt. Am Mittwoch brachten die Regierungsfraktionen ihren Antrag in den Landtag ein, der den Wolf endlich ins Jagdrecht überführen soll. Niedersachsen allein kann dabei aber wenig erreichen. Soll der Wolf tatsächlich dereinst per Jagd in Zaum gehalten werden können, müssen der Bund und am besten auch die EU mitziehen. Doch schon am Freitag kam der herbe Dämpfer: Das von Svenja Schulze (SPD) geführte Bundesumweltministerium will dabei nicht mitmachen. Der Wolf unterliege auch nach einer Aufnahme ins Jagdrecht dennoch einer ganzjährigen Schonzeit, man habe verfassungsrechtliche Bedenken und könne nicht im Alleingang den günstigen Erhaltungszustand festlegen – das berichtet NDR 1 Niedersachsen mit Berufung auf eine Sprecherin des Ministeriums.
Das Bundesumweltministerium duckt sich in der Wolfsfrage weg und lässt die betroffenen Bürger allein.
In der CDU-Landtagsfraktion löst die Berichterstattung über die Äußerungen Unverständnis und Verärgerung aus: „Das Bundesumweltministerium duckt sich in der Wolfsfrage weg und lässt die betroffenen Bürger allein“, erklärte Martin Bäumer, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. „Dass man den Erhaltungszustand des Wolfes im vergangenen Jahr als ungünstig bewertet hat, liegt auch am bewussten Verwenden von veralteten Zahlen. Wie festgestellt wurde, gibt es im Landkreis Celle schon heute statistisch mehr Wölfe als in ganz Kanada.“
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Die CDU-Fraktion hatte im Juni beschlossen, eine Regulierung des Wolfes über das Jagdrecht anzustreben. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPD schlagen sie nun vor, sich dabei am französischen Modell zu orientieren. In Frankreich ist seit 2018 eine Form der Schutzjagd unter bestimmten Umständen möglich. Dazu wurde zuerst definiert, wie viele Tiere die Wolfspopulation in Frankreich zählen muss, damit sie sich gesund vermehren kann – man definierte also eine biologisch begründete Untergrenze. Aus der Differenz zur tatsächlichen Populationsgröße ergibt sich eine jährliche Jagdquote. Es dürfen aber auch nur dann Wölfe tatsächlich getötet werden, wenn sie Probleme machen, also Nutztiere reißen.
Die Regulierung kann nicht erst beginnen, wenn der Wolf in Berlin durch den Tiergarten streift.
Bäumer kritisiert an den Aussagen des Bundesumweltministeriums, dass auf das französische Modell kein Bezug genommen wird. „Beim Verweis auf die angebliche Unvereinbarkeit der niedersächsischen Vorschläge mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU und dem damit verbundenen Hinweis, die Vorschläge wären damit rechtlich ausgeschlossen, wird mit keinem Wort erwähnt, warum der Abschuss von Wölfen in anderen Ländern Europas funktioniert.“ Es sei nun an der Zeit, dass „die Ideologen in Berlin“ erkannten, dass der Wolf bei einer Zuwachsrate von 30 Prozent pro Jahr ohne natürliche Feinde reguliert werden müsse. „Die Regulierung kann nicht erst beginnen, wenn der Wolf in Berlin durch den Tiergarten streift“, so Bäumer. Auch Wendelin Schmücker, Vorsitzender des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung, kritisiert das Agieren des Bundesumweltministeriums scharf. „Als Schäfer und Weidetierhalter in Deutschland sind wir nur noch fassungslos und wütend“, erklärte er. Eine Koexistenz von Wolf und Weidetieren funktioniere in einer Kulturlandschaft nur dann, wenn die Wolfsbestände reguliert und der Ausbreitung enge Grenzen gesetzt werden. Schmücker fordert deshalb ein aktives Wolfsmanagement. Dazu müsse aber zuerst auf Bundesebene die FFH-Richtlinie der EU komplett in nationales Recht überführt werden. Dies habe man nicht getan und dadurch die Option einer Schutzjagd auch bei besonders geschützten Tieren verhindert – daher der rechtliche Unterschied zu Frankreich.

Bundesweit kaum Verständnis für Niedersachsens Notlage

Der niedersächsische Vorstoß in der Wolfspolitik scheint zwischen Hannover und Berlin keineswegs abgestimmt zu sein – trotz des gleichen Parteibuchs der Führungen der beiden zuständigen Ministerien. Einen schweren Stand hat Umweltminister Lies im Austausch mit den anderen Umweltministern zudem, weil das Wolfsproblem in der Bundesrepublik ganz unterschiedlich verteilt ist: Wer keinen Wolf in seinem Bundesland hat, wird sich auch nicht dafür verkämpfen, dass die Tiere in Niedersachsen womöglich abgeschossen werden dürfen. Und die Kämpfe um die Thematik werden mit harten Bandagen und sehr emotional geführt. Im Landtagsplenum vergangene Woche fühlten sich verschiedene Redner immer wieder verpflichtet, öffentlich dazu aufzurufen, dass Jäger und deren Familien nicht angegangen werden dürften, weil diese nun künftig für die Regulierung der Wolfspopulation zuständig sein sollen. Ein Ereignis könnte nun allerdings zu einer weiteren Emotionalisierung und Verhärtung der Debatte beitragen. Am Freitag berichtete das niedersächsische Umweltministerium, dass ein Wolf durch einen Schuss verletzt worden ist. Bereits heute vor einem Monat, am 16. Oktober wurde im Landkreis Harburg in der Nähe von Salzhausen ein schwerverletzter Wolf entdeckt, der nach einer Beurteilung durch die zuständige Kreisveterinärin und einen Wolfsberater und Jäger schließlich von einem Polizisten von seinen Leiden erlöst werden musste. Zuerst war man davon ausgegangen, dass der Wolf durch einen Verkehrsunfall verletzt worden war. Die Untersuchung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin hat nun aber ergeben, dass die Verletzung des Wolfes auf einen Schuss zurückzuführen ist.
Klar ist, keine noch so scharfe Polarisierung darf und kann eine Erklärung oder gar Rechtfertigung für individuelles Fehlverhalten und illegales Handeln sein.
Niedersachsens Umweltminister Lies sagte am Freitag, jede Form vermeintlicher „Selbstjustiz“ sei vollkommen inakzeptabel. „Der Wolf ist eine streng geschützte Art, die ihren Platz in Niedersachsen hat und haben wird. Der illegale Schuss auf einen Wolf ist ein schwerer Verstoß gegen das Naturschutzgesetz.“ Auch Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft und zugleich CDU-Landtagsabgeordneter, verurteilte die Tat scharf und stellte heraus: „Klar ist, keine noch so scharfe Polarisierung darf und kann eine Erklärung oder gar Rechtfertigung für individuelles Fehlverhalten und illegales Handeln sein.“ Aus Sorge vor einer Instrumentalisierung der Tat ergänzte er: „Wir müssen klar unterscheiden zwischen illegalen Rechtsverstößen, die geahndet werden müssen, und der Umsetzung von rechtsstaatlich festgelegten und angeordneten Maßnahmen – auch wenn diese die Tötung eines auffälligen Wolfes beinhalten.“ Von Niklas Kleinwächter
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #205.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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