Bundesarbeitsminister Hubertus Heil plädiert dafür, mit Experimentierklauseln in mitbestimmten und tarifgebundenen Unternehmen neue Formen der Arbeitszeiten auszuprobieren. „Es wird eine Debatte über die Arbeitszeitgesetzgebung geben müssen. Allerdings brauchen wir eine Balance. Wir schmeißen das Arbeitszeitgesetz nicht weg“, sagte Heil in einer Veranstaltung des Arbeitgeberverbands Region Braunschweig (AGV).

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Er wolle nicht leugnen, dass flexiblere Arbeitszeiten in einigen Betrieben bereits unter der Hand geregelt würden. „Das ist allerdings für den Staat ein Problem, wenn wir Gesetze haben, die mit der Lebenswirklichkeit nichts mehr zu tun haben und in der Praxis nicht mehr ernstgenommen werden. Deshalb muss eben in der Praxis erprobt werden, wo es klemmt.“ Benötigt werde ein neuer Konsens, und der müsse erarbeiten werden.

Geht es nach dem Bundesarbeitsminister, dann muss im Strukturwandel etwas revitalisiert werden, was Deutschland in vergangenen Jahren sehr geholfen habe. Man müsse Tarifbindung und Tarifautonomie wieder stärken. „Weniger als 50 Prozent der Unternehmen sind noch tarifgebunden. Wir werden die Tarifbindung aber nicht nur wegen der Lohn- und Gehaltsprozesse, sondern auch wegen ganz praktischer Fragen des Strukturwandels und in Bezug auf Ausgleichprozesse brauchen. Sonst werden wir Brüche erleben“, warnte Heil. Das sei auch Thema beim Sozialpartnergipfel in der kommenden Woche in Meseberg.

Arbeitgeber wünschen sich mehr Flexibilität

Zuvor hatte bei der Veranstaltung in Braunschweig mit mehr als 500 Gästen bereits der AGV-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Niemsch auf die Probleme im Arbeitszeitrecht hingewiesen und für eine Reform plädiert. „Es ist längst klar, dass der klassische 9-to-5-Job, den man von der Lehre bis zur Rente macht,  schon lange ausgedient hat. Aber unsere ganze Arbeitswelt richtet sich häufig noch nach diesen Werten und Normen.“ Beim flexibleren Arbeitszeitrecht gehe es zum Beispiel auch um mehr Familienfreundlichkeit, um einen neuen Einklang von Interessen, auch der Beschäftigten, zu ermöglichen.

„Wir schmeißen das Arbeitszeitgesetz nicht weg“: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in Braunschweig – Foto: AGV Braunschweig

Abseits der Debatte um die Arbeitszeit warb Bundesarbeitsminister Heil dafür, so viele Arbeitskräfte wie möglich für die Unternehmen zu gewinnen. „Wir reden über Fachkräftemangel und lassen zu, dass jährlich 50.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen, und dass es 1,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 30 ohne berufliche Erstausbildung gibt. Und wir müssen Langzeitarbeitslose wieder in den Job bringen und sie nicht einfach mit Sozialtransfers in der Ecke abspeisen.“

Managementexperte rät zu Verzicht auf „Business-Theater“

Der Managementexperte Lars Vollmer, Honorarprofessor der Leibniz-Universität Hannover, rief auf der Veranstaltung die Unternehmen dazu auf, überflüssiges „Business-Theater“ wie zum Beispiel Mitarbeitergespräche, Meetings, Projekt-Meilensteintreffen oder „360-Grad-Firlefanz“ in Frage zu stellen. „Nicht alles ist lächerlich und Folklore, aber manches eben schon.“ Es gebe eben einen Unterschied zwischen Arbeit und Beschäftigung. Vollmer zufolge wird es in der künftigen Arbeitswelt darauf ankommen, neue Probleme zu lösen, für die es vorher keinen Plan gegeben hat. „Dann helfen plötzlich keine Pläne mehr, denn mit denen kann man nur das abarbeiten, was man schon kennt. Dann brauche ich andere Formen der Zusammenarbeit“, sagte Vollmer im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

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Eine große Veränderungsarbeit kommt auf die Organisationen selbst zu. „Wir müssen nicht an den Menschen herumdoktern, sondern wir müssen die Organisationen befähigen, mit den neuen Herausforderungen umzugehen.“ Führungspersonal habe daher zukünftig die Aufgabe, wie beim Fußball Einstellung und Taktik so auszurichten, damit Leistung entstehen könne. „Das nehmen nur wenige Führungskräfte bisher wahr, wahrscheinlich aus er blanken Überforderung mit dem operativen Tagesgeschäft.“