Brauchen wir ein „Oldenburg-Braunschweig-Ministerium“?
Es kommt Bewegung in die Diskussion über neue Ministerien. Kurz vor Weihnachten hat Björn Thümler, CDU-Fraktionschef im Landtag mit starker Verwurzelung in der Wesermarsch, in der Oldenburger Nordwest-Zeitung eine frohe Botschaft verkündet: Nach der Landtagswahl könne er sich ein „Heimatministerium“ vorstellen – und Dienstsitz könne dann auch Oldenburg sein. Später wurde auch Braunschweig als möglicher Standort einer solchen neuen Behörde genannt. Wäre das, 13 Jahre nach Abschaffung der Bezirksregierungen und Regierungspräsidenten, ein spätes Trostpflaster für all jene, die die gegenwärtige landespolitische Machtkonzentration in Hannover als Verkörperung von Ferne und Abgehobenheit ansehen?
Zunächst bleibt festhalten, dass der Ruf nach mehr Regionalität derzeit „in“ ist. SPD und Grüne hatten sich nach der Landtagswahl 2013 beeilt, neue „Landesbeauftragte“ einzusetzen – gut bezahlte Statthalter in den Regionen des Landes mit jeweils eigenen Stäben. Zwar hatte es vorher unter Schwarz-Gelb schon „Regierungsbüros“ gegeben, aber erklärtes Ziel des neuen Ministerpräsidenten Stephan Weil war 2013 deren finanzielle und statusmäßige Aufwertung. Ob damit tatsächlich ein bisheriges politisches Defizit wirksam bekämpft wurde, lässt sich bestreiten – denn an den Kompetenzen hat sich gegenüber den alten „Regierungsbüros“ nicht viel geändert. So lautet denn heute auch der Hauptvorwurf an Rot-Grün, die „Landesbeauftragten“ in Wahrheit nur für einen vermeintlich besseren äußeren Schein geschaffen zu haben, nicht für eine neue politische Schwerpunktsetzung. Warum aber sind solche Schein-Regionalisierungen derzeit so gefragt? Liegt es daran, dass in einer zunehmend komplexeren, globalisierten und digitalisierten Welt die Sehnsucht nach lokaler Überschaubarkeit wächst? Auffällig sind Unterschiede. Vor zehn Jahren etwa, als die SPD noch in der Opposition war, gab es viele versierte SPD-Innenpolitiker, die keinen Cent auf die Wiedereinführung der Bezirksregierungen gesetzt hätten. Heute kann man nicht mehr sicher sein, ob Sozialdemokraten und Grüne nicht doch auf die Idee kommen, genau eine solche Reform vorzuschlagen, getreu dem Motto: Noch mehr Verwaltungspersonal gegen ein angebliches Gefühl der Vernachlässigung von Regionen.
Dabei würden solche Ideen tatsächlich an einen objektiven Mangel ansetzen: Als CDU und FDP 2004 die Bezirksregierungen abschafften und ihre Kompetenzen nach oben (zu den Landesämtern) und nach unten (zu den Landkreisen) verteilten, blieben sie auf halbem Wege stehen. Es hätte sich eine Gebietsreform anschließen müssen, die einige Kreise und Städte zu neuen, größeren und leistungsfähigeren Einheiten zusammenlegt. Viele hatten diese Idee, doch die Bremser siegten seither – vor allem der damalige Ministerpräsident Christian Wulff. Gäbe es heute in den Räumen Braunschweig und Oldenburg statt der Vielzahl an Landräten und Oberbürgermeistern nur wenige starke Akteure, so spräche niemand mehr von einem Defizit an Regionalität. Dass die derzeitigen „Landesbeauftragten“ aber diesen Mangel ausgleichen könnten, ist reines Wunschdenken. Der Amtsinhaber für Oldenburg, Franz-Josef Sickelmann, hat eine solche Autorität durchaus – doch er hatte sie schon, als er noch Leiter des „Regierungsbüros“ war, also mehrere Rangstufen tiefer angesiedelt war. Alle anderen Landesbeauftragten können ihm nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen, manche von ihnen sind Jahre nach ihrer Amtseinführung absolut unbekannt und profillos geblieben. Das ist nicht ihnen persönlich vorzuwerfen, es liegt vor allem daran, dass sie eben keine wirkliche Macht besitzen.
Aber wird das nun anders? Werden, wenn die SPD die nächste Landesregierung anführt, aus den Landesbeauftragten wieder Regierungspräsidenten? Oder kommt ein „Oldenburg-Braunschweig-Ministerium“ unter Minister Björn Thümler, wenn Bernd Althusmann (CDU) der nächste Ministerpräsident werden sollte? Beides wäre wohl kein Segen für Niedersachsen, sondern eher ein Fluch. Für eine effektivere Planung und Zusammenarbeit der Kommunen im Nordwesten oder im Osten des Landes braucht man keine neuen Landesbehörden oder aufgewertete Ober-Koordinatoren, sondern vor allem fähige, zukunftsorientierte und auf Zusammenarbeit ausgerichtete Kommunen und kommunale Verwaltungschefs. Die Verwaltung des Landes muss an dieser Stelle nicht aufgestockt und ausgebaut werden, vielmehr sind hier Vereinfachung und Verschlankung das Gebot der Stunde. Und so schön es auch sein mag, wenn ein Heimatminister künftig seine Bürgersprechstunden im Ministerbüro im Oldenburg (und zwar im historischen Gebäude des Staatsministeriums) anbieten kann, es bliebe nicht viel mehr als ein Symbol. Jeder Minister, der in einer Regierung Gewicht haben will, kommt an einem Hauptsitz Hannover nicht vorbei. Lässt er sich dort nicht ständig blicken, so läuft er Gefahr, von den anderen übergangen zu werden.
Dazu passt eine Episode aus der Gründungsphase des Landes Sachsen-Anhalt 1990: Als sich die Abgeordneten aus den Regionen Magdeburg, Halle und Dessau nicht einigen konnten, wo denn die künftige Hauptstadt sein soll, kamen sie auf eine scheinbar geniale Idee: Die Ministerien des Landes sollen auf die drei Städte aufgeteilt werden. Jeder hätte dann ein Stück des Glanzes und der Macht abbekommen. Es kam dazu nicht – angeblich, weil die Aufbauhelfer aus der niedersächsischen Landesregierung den Plan sehr schnell als „Kokolores“ verworfen haben. Recht hatten sie. (kw)