Darum geht es: Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie und setzt sich immer weiter durch. Statt sich allein auf den Datenschutz zu fokussieren sollte der Staat Beauftragte für Künstliche Intelligenz implementieren, meint Martin Brüning.

Der größte E-Commerce Händler Europas sitzt gleich um die Ecke. Im Nachbarland Hamburg setzt der Otto-Versand schon lange nicht mehr auf den guten alten Katalog. Statt des dicken Wälzers verdient der Versandhändler sein Geld mit dem Onlinegeschäft. Dabei will er Marktführer Amazon jetzt nicht nur direkt angreifen, in dem er sich kleineren Händlern als fairer Partner anbietet. Otto setzt nun auch auf Künstliche Intelligenz (KI). Aufgrund der Größe des Geschäftsmodells werde es immer wichtiger, Prozesse zu skalieren, ohne dass alles manuell gesteuert, kontrolliert und gebildet werden müsse, sagte kürzlich Olaf Schlüter, Bereichsleiter E-Commerce, im Gespräch mit dem Institut für Handelsforschung in Köln. Die größte Herausforderung sei nicht die Technik gewesen, berichtete er, sondern vielmehr die kulturelle Herausforderung innerhalb des Unternehmens, mit dem „Kontrollverlust“ umzugehen. Denn jetzt überließen die Mitarbeiter alles einem selbstlernenden Algorithmus.

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Nun muss man aufpassen an dieser Stelle nicht zum nörgelnden deutschen Mahner und Technikskeptiker zu werden. Die Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie und wird sowohl Unternehmen als auch Kunden viele Möglichkeiten bieten. Sie hat das Potenzial, das Leben an vielen Stellen zu vereinfachen und zu verbessern. Aber sie stellt uns alle eben auch vor Herausforderungen. Manche Experten warnen die Unternehmen davor, zu optimistisch und unbedarft an die neue Technik heranzugehen. Denn sie kann nicht nur Probleme lösen, sondern auch neue erschaffen. Ein Alarmsignal sollte dabei sein, wenn der Entwickler im Unternehmen selber nicht mehr genau nachvollziehen kann, wie der Computer auf bestimmte Ergebnisse kommt.

Nun muss sich Kollege Computer nicht unbedingt gleich zum „digitalen Amokläufer“ entwickeln. Es dürfte aber für das Unternehmen schon ein Problem sein, wenn bestimmte Prozesse bei den Mitarbeitern nicht mehr nachvollzogen werden können. Auch auf die Arbeitsplätze wird die Künstliche Intelligenz einen großen Einfluss haben. Bisher hieß es häufig, vor allem die Arbeitsplätze von Geringqualifizierten dürften durch die Digitalisierung in Gefahr geraten. Die Künstliche Intelligenz kann allerdings auch viele kognitiv und kreativ anspruchsvolle Tätigkeiten übernehmen. Müssen die Argumente in diesem Kommentar wirklich von einem Menschen geschrieben werden? Oder könnte das auch ein Computer?


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Auch auf der Seite der Kunden gibt es Licht und Schatten. Künstliche Intelligenz kann durchaus zu maßgeschneiderten Angeboten beitragen und uns zum Beispiel das Shopping durch eine gezieltere Auswahl erleichtern. Auf der anderen Seite diskriminiert niemand besser als Künstliche Intelligenz. Schon allein das Wissen darüber, dass ein Mann oder eine Frau vor dem Bildschirm sitzt, führt dazu, dass bestimmte Angebote überhaupt nicht mehr auftauchen. Und die Einkäufe könnten auch den finanziellen Hintergrund mehr als deutlich machen. Kredit gefällig? Der KI-Roboter hat schon einmal des vermeintlich beste Angebot herausgesucht.

Derzeit reden wir uns alle die Köpfe über die neue Datenschutzgrundverordnung heiß. Sie regelt zum Beispiel den Versand von Newslettern. Diese erreichen uns nach wie vor zumeist per E-Mail, einer Technologie, die es seit Ende der 1980er Jahre gibt. In Brüssel denkt man vielleicht, dass man damit zeitgemäße Politik betreibt. In Wirklichkeit hängt die Politik aber um Längen hinterher. Statt über Datenschutzbeauftragte sollte man inzwischen über KI-Beauftragte nachdenken. Der Staat ist bisher kaum in der Lage zu prüfen, ob ethisch-rechtliche Grundlagen überhaupt eingehalten werden. Er sollte sich mit der Einrichtung institutioneller Grundlagen beeilen. Kollege Computer lernt schnell.

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