Der FDP-Landesvorsitzende und frischgekürte Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Stefan Birkner, hat beim Landesparteitag am Wochenende die Eigenständigkeit seiner Partei betont. „Der Wegfall der rot-grünen Mehrheit heißt trotz vieler Gemeinsamkeiten mit der CDU nicht automatisch, dass es nun eine schwarz-gelbe Mehrheit im Landtag gibt“, betonte er und fügte hinzu: „Die Freien Demokraten lassen sich nicht vereinnahmen und entscheiden selbstständig, was sie tun.

Zur Sicherheit: Das Rednerpult stand direkt unter der Sprinkleranlage, FDP-Gast Wolfgang Kubicki blieb aber trocken – Foto: KW

Als eigenständige Kraft werden wir auch im Landtagswahlkampf auftreten.“ Birkner erläuterte zugleich, warum die FDP-Landtagsfraktion sich rasch entschieden habe, nach dem Übertritt von Elke Twesten von den Grünen zur CDU am 4. August die Variante eines konstruktiven Misstrauensvotums nicht zu erwägen. Einem solchen Verhalten hätten Koalitionsverhandlungen mit der CDU vorgeschaltet werden müssen, eine Regierungsbildung kurz vor der ohnehin am 14. Januar anstehenden Neuwahl hätte zudem den Vorwurf ausgelöst, man wolle sich mit Posten bedienen. Außerdem seien die Mehrheitsverhältnisse im Landtag ja auch jetzt äußerst knapp.

Stephan Weil ist an seinem Unvermögen gescheitert, solide und handwerklich sauber zu regieren

Zu den möglichen Koalitionsoptionen nach der Landtagswahl äußerte sich Birkner nur vage. „Nicht mit Schwarz-Grün, nur mit einer starken FDP macht sich Niedersachsen frei von der ideologisierten Schul- und Agrarpolitik.“ Zuvor hatte der FDP-Landesvorsitzende vor allem die Politik von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) und Agrarminister Christian Meyer (Grüne) scharf attackiert. Heiligenstadt schwäche das Gymnasium und verfolge immer noch das ideologische Modell einer Einheitsschule für alle. Birkner spitzte seine Kritik auch auf Ministerpräsident Stephan Weil zu, gerade im Zusammenhang mit dem Fall Twesten. Der Ministerpräsident sei gescheitert „nicht an einer Intrige der Opposition oder einer Verschwörung der Medien und schon gar nicht an einer einzelnen Abgeordneten. Er ist tatsächlich gescheitert an seinem Unvermögen, solide und handwerklich sauber zu regieren.“

Der FDP-Chef geißelte Pannen und Missmanagement in der Staatskanzlei, die „Arroganz der Macht von Rot-Grün im Landtag“ und rechtlich problematisches Agieren, wie es im Fall der Immunitätsentscheidung des SPD-Abgeordneten Ronald Schminke deutlich geworden sei. Damit seien „willkürlich Ermittlungen verhindert“ worden. Dies alles sei eine sehr schlechte Bilanz von Rot-Grün. Der Ministerpräsident wolle sich nun als Opfer darstellen – „damit nutzt Weil die Abgeordnete Twesten als Mittel zum Zweck für seine Mitleidsnummer“.

Listenplatz 8: Der Landtagsabgeordnete Jan-Christoph Oetjen bei seiner Vorstellungsrede – Foto: MB.

Mit Blick auf die VW-Landesbeteiligung hob Birkner hervor, dass man das hohe Ziel des Verkaufs der Landesbeteiligung nicht fordern werde, da es nach der Landtagswahl keinerlei Chance gebe, diese Forderung auch durchzusetzen. Auf jeden Fall wolle die Partei aber die Vertretung Niedersachsens im VW-Aufsichtsrat (bisher Ministerpräsident und Wirtschaftsminister) ändern – unter den Begriffen Entpolitisierung, Professionalisierung und Demokratisierung. Ob das heißt, dass der Landtag Wirtschaftsfachleute für diese beiden Posten wählen soll, ließ Birkner offen. Er wollte sich noch nicht zu Details äußern.

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Birkner (44) aus Garbsen wurde in der Vertreterversammlung am Sonntag mit 96,9 Prozent zum Spitzenkandidaten gewählt. Ihm folgen Jörg Bode (46) aus Celle (75,7 Prozent), Sylvia Bruns (48) aus Hannover (89,8 Prozent), Marco Genthe (50) aus Weyhe (90,6 Prozent), Horst Kortlang (69) aus der Wesermarsch, der sich mit 55 Prozent im zweiten Wahlgang gegen den vom Vorstand vorgeschlagenen Studienrat Niels-Christian Heins (56) durchsetzte, Christian Grascha (39) aus Einbeck (96,8 Prozent) und Björn Försterling (35) aus Wolfenbüttel (92,6 Prozent).

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Als Försterling ankündigte, man werde nach der Wahl „den Scherbenhaufen, den Frauke Heiligenstadt hinterlassen hat, beiseite kehren“, brachen die rund 290 Delegierten in Jubel aus. Försterling sagte, man werde wieder Noten in Klasse 3 und 4 einführen, die Förderschulen wieder stärken und womöglich auch die Besoldung von Grund- und Hauptschullehrern aufwerten. Auf den nächsten Plätzen folgen Jan-Christoph Oetjen (39) aus Rotenburg (92,2 Prozent), Hermann Grupe (61) aus Holzminden (95,6 Prozent) und die Lehrerin Susanne Schütz (51) aus Braunschweig (91,2 Prozent).