Darum geht es: Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt will keine „Kleinstaaterei von 16 Ländern mit verschiedenen Bildungsstandards“ mehr. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner meint, der Bildungsföderalismus sei nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Doch wer glaubt, dass ein neuer Bildungszentralismus Vielfalt und Qualität sichern könnte, ist naiv, meint Martin Brüning .

„Mein Manager erledigt das für mich“, sang Rio Reiser Ende der 80er-Jahre. „Berlin erledigt das für uns“ könnte der komplementäre Song der Bundesländer 30 Jahre später sein. Es ist gerade nicht die Zeit der starken Ministerpräsidenten, die ihr jeweiliges Land in unterschiedlichen Feldern an die Spitze führen wollen. Vielmehr scheut man den Wettbewerb und versucht, dem Bund möglichst viel Geld abzuluchsen, um im Gegenzug eigene Kompetenzen abzugeben. Ganz nebenbei ergibt sich daraus der Vorteil, jederzeit auf Berlin verweisen zu können, wenn es irgendwo einmal nicht so läuft. Das hat man im Bund bereits seit Jahren so mit Europa geübt. Schlechte Nachrichten? Muss wohl an Brüssel liegen.

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In der Bildungspolitik hat die irritierende Sehnsucht nach mehr Zentralismus auch viele Eltern erfasst. Wer mit ihnen spricht, hört nicht selten die Forderung, die Länder in der Schulpolitik zu entmachten. Manchmal hört man dabei das Argument des schwierigen Schulwechsels über Ländergrenzen hinweg, zumeist sind aber individuelle negative Erfahrungen der Grund für die Forderung, Berlin solle das jetzt bitteschön alles einmal regeln. Die Länder hätten versagt.


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Aber die Länder haben nicht versagt. Bremen hat versagt, Nordrhein-Westfalen hat versagt, Berlin und Brandenburg haben versagt. Das sind die Letztplatzierten im Bildungsmonitor der Initiative für neue soziale Marktwirtschaft. Sachsen, Thüringen und Bayern haben nicht versagt, sie stehen auf den Plätzen eins bis drei. Es ist wenig erstaunlich, dass sich gerade Eltern aus Bundeshauptstadt häufig wünschen, die Bundesregierung möge die Schulpolitik komplett übernehmen. Wer in der „failed Stadt“ Berlin seine Kinder auf einer der maroden, schlecht ausgestatteten Schulen hat, muss allein aus Selbstschutz diese Forderung erheben. Aber glaubt in Niedersachsen wirklich jemand, dass es in der Schule besser läuft, wenn ein Ministerium in Berlin über Lehrbedingungen und Inhalte an einer Grundschule in Bad Zwischenahn oder Einbeck bestimmt? Wer glaubt, von Flensburg bis Konstanz Bildungsvielfalt und Bildungsqualität in den Kommunen erhalten zu können, wenn der Bund die Zügel in der Hand hält, ist naiv.

Natürlich haben die Länder Fehler gemacht. Die Forderungen nach einem Bildungszentralismus sind nichts anderes als das Ergebnis von zu sprunghaften und ideologisch geprägten Systemänderungen in den Ländern sowie des jahrelangen Versagens der Kultusministerkonferenz. Hier sind die Länder in der Verantwortung, Ruhe in die Systeme zu bringen und der Kultusministerkonferenz die entsprechende Bedeutung zu geben. Erste positive Anzeichen gibt es. Vielen Länderkollegen sei bewusst, dass zusammengearbeitet werden müsse, sagte Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne im Rundblick-Podcast und sprach von einem deutlichen Fortschritt. Man könne aber nicht wegdiskutieren, dass es durch die Bildungshoheit der Länder eben auch unterschiedliche Vorstellungen gebe. Und das ist gut so, möchte man hinzufügen. Denn ein Unterricht nach Bremer oder Berliner Standards – und das sind die Standards, auf die man sich bundesweit als Grundlage einigen müsste – würde bei den Eltern wieder zu einem Rollback des Föderalismus führen.

Man kann trotz allem über das Kooperationsverbot sprechen, das man nicht zu hoch hängen sollte. Immerhin wurde es bereits bei den Hochschulen zurückgenommen. Für bauliche und ausstattungstechnische Investitionen wird es nicht ohne Hilfe des Bundes gehen. Die Bildungspolitiker der Länder sollten sich aber gegen weitere inhaltliche Ansprüche des Bundes wehren. Der Zentralismus wäre keine Lösung, sondern ein neues Problem.

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