Besserer Katastrophenschutz würde 20 Millionen Euro kosten
Wie gut ist Niedersachsen vorbereitet für den Fall, dass sich eine atomare Katastrophe ereignet und schnell reagiert werden muss? Der Innenausschuss des Landtags hat darüber intern diskutiert und vom Innenministerium ein neues Konzept verlangt. Der wesentliche Inhalt lautet: Die Zuständigkeit muss in die Hände der Landesregierung, es muss dort einen zentralen Verantwortlichen geben. Außerdem müssen die Vorbereitungen verbessert werden – bis hin zu erhöhten Schutzvorkehrungen. Das bezieht sich vor allem auf die kerntechnischen Anlagen. Der Radius rund um die Standorte, die beispielsweise Zielorte von Anschlägen werden könnten, soll vergrößert werden. Aus einer Vorlage des Innenministeriums geht hervor, dass dafür einmalige Kosten von landesweit 14 Millionen Euro anfallen würden – und jährliche Ausgaben von noch einmal sechs Millionen Euro. Eine Gegenfinanzierung aus dem Etat des Innenministeriums, heißt es, sei „nicht möglich“. Finanzminister Peter-Jürgen Schneider hatte allerdings erst vor wenigen Tagen die Möglichkeit eines Nachtragsetats als „unwahrscheinlich“ eingestuft.
Lesen Sie auch:
Wenn es um mögliche Gefahrenquellen geht, werden im Innenministerium zuerst die kernkrafttechnischen Anlagen genannt – also die Atomkraftwerke und die Lagerstätten für atomaren Abfall. Ende Februar hatte der Landkreistag betont, wie wichtig eine Neuordnung der Zuständigkeiten und eine bessere Vorbereitung auf einen möglichen Katastrophenfall sind. Sollte es gegenwärtig zu einem atomaren Unfall im Kernkraftwerk Grohnde kommen, so wäre der Landrat von Hameln-Pyrmont als Zuständiger für den Katastrophenschutz gefordert. Damit sind aber nach Ansicht von Praktikern bei Land und Kommunen schon die Beschränkungen beschrieben: Da solche Unglücke nicht an den engmaschigen Grenzen der niedersächsischen Landkreise Halt machen, ist eine überregionale, landesweite Koordinierung und Befehlsgewalt, die rasch einschreitet, erforderlich. In einem ersten Konzept hatte sich die Landesregierung auf drei Regionen konzentriert – und zwar rund um die noch bestehenden Kernkraftwerke Grohnde (Hameln-Pyrmont), Emsland und Brokdorf (bezogen auf den Raum Stade/Cuxhaven und Harburg). Es kommen nun noch 17 andere Standorte hinzu, beispielsweise rund um das schon stillgelegte Atomkraftwerk Unterweser in der Wesermarsch, das Kernkraftwerk Krümmel und die Zwischen- und Endlager in Asse und Gorleben.
Daraus werden nun landesweit sieben Gefahrenzonen abgeleitet: Erstens Grafschaft Bentheim und südliches Emsland (Kernkraftwerk Lingen, Lager Ahaus in Nordrhein-Westfalen), zweitens die Kreise Hameln-Pyrmont und Holzminden, sowie südlicher Kreis Schaumburg und Region Hannover, sowie westlicher Kreis Hildesheim (Kernkraftwerk Grohnde), drittens die Kreise Stade, östliches Cuxhaven und nördliches Rotenburg (Kernkraftwerk Brokdorf), viertens die Kreise Wesermarsch, östliches Friesland, östliches Ammerland, nördliches Oldenburg, westliches Osterholz und westliches Cuxhaven (Kernkraftwerk Unterweser), fünftens der Kreis Lüneburg, östlicher Kreis Harburg und nördlicher Kreis Uelzen (Kernkraftwerk Krümmel), sechstens Lüchow-Dannenberg (Gorleben) und siebtens Braunschweig, Wolfsburg, Helmstedt, Wolfenbüttel, Salzgitter und östlicher Kreis Goslar (Asse). Rund um die Kernkraftwerke Emsland, Grohnde und Brokdorf werden Evakuierungszonen im Radius von je 20 Kilometer geplant – außerdem Zonen, in denen Jodtabletten an die Bevölkerung ausgegeben werden müssen. Diese umfassen im Fall eines Unfalls im AKW Lingen das gesamte westliche Niedersachsen, beim AKW Grohnde das gesamte südliche und beim AKW Brokdorf das gesamte nordöstliche Niedersachsen. Werden Jodtabletten verabreicht, so sinkt die Gefahr, dass die Menschen radioaktives Jod einatmen und in der Folge mit höherem Risiko an Schilddrüsenkrebs erkranken können.
Sobald eine Katastrophe geschieht, müssen die Menschen in einem Radius von fünf Kilometern binnen sechs Stunden evakuiert werden – und in einem weit größeren Radius mit Jodtabletten versorgt werden. Dazu sind auch regelmäßige Messungen der Strahlungen nötig, und dafür muss es die nötige Technik und die nötigen geschulten Mitarbeiter geben. Im Kreis Hameln-Pyrmont wurde ein Messfahrzeug, das 400.000 Euro kostete, vom Land mit 50.000 Euro gefördert. Die Begründung war, dass die Restlaufzeit des AKW Grohnde ja begrenzt sei. In der Gefahrenschätzung geht man nun davon aus, dass dieses Kernkraftwerk noch viel länger eine Gefahrenquelle sein könnte.