Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) wirbt im Interview mit dem Politikjournal Rundblick für deutlich kürzere Planungsverfahren, übersichtlichere Förderprogramme und Verständnis dafür, dass er mehr Mitarbeiter in seinem Ministerium benötigt. Beim Beteiligungsmanagement für VW strebt er eine enge Abstimmung mit der von Stephan Weil (SPD) geführten Staatskanzlei an.

Bernd Althusmann beim Redaktionsbesuch – hier mit mit Klaus Wallbaum (links) und Martin Brüning (rechts) -. Foto: isc

Rundblick: Herr Althusmann, die Niedersachsen-CDU ist jetzt Juniorpartner in einer Großen Koalition unter Führung der SPD. Haben Sie nicht Sorge, dass der sozialdemokratische Ministerpräsident Sie so sehr an die Wand drückt, dass die SPD am Ende allein die Erfolge feiern kann? Ähnlich war es doch mit der SPD in der Großen Koalition in Berlin…

Althusmann: Nein, wenn man die Bundestagswahl im September 2017 analysiert, kommt man zu einem anderen Ergebnis. Zunächst ist die Flüchtlingskrise als Thema, das die Menschen sehr bewegt, unterschätzt worden. Was die Verluste der SPD angeht, lag es zu einem guten Teil  daran, dass sie sich von ihren eigenen Erfolgen in der Politik der Bundesregierung distanziert hat. Martin Schulz hat meines Erachtens im Wahlkampf für eine zum Teil entgegengesetzte Politik geworben, die mit den Leistungen seiner Genossen in der Bundesregierung nicht mehr viel zu tun hatte. Das wirkte aus meiner Sicht eher unglaubwürdig – und das spiegelte sich dann womöglich im Wahlergebnis wider. Diesen Fehler gilt es zu vermeiden.

Rundblick: Wie läuft es denn klimatisch in der Großen Koalition in Niedersachsen? Im Wahlkampf hatten Sie sich noch heftig bekämpft – und jetzt ist vollendete Harmonie?

Althusmann: Politik findet leider immer öfter wie unter einer Käseglocke statt – Politik und Medien wirken wie ein geschlossener Zirkel. Wir sollten stärker das Ohr an der Bevölkerung haben und nicht nur auf das achten, was zwischen den politischen Akteuren und den Medien geschieht. Soviel zur Vorbemerkung. Zwischen Stephan Weil und mir hat es ein sehr offenes Gespräch gegeben, wir haben uns auf eine vertrauensvolle, vernünftige und pragmatische Zusammenarbeit verständigt. Um der Sache Willen wollen wir gemeinsam und verantwortlich Lösungen finden. Ich hoffe mal, dass sich Union und SPD auf Bundesebene daran ein wenig orientieren. Es geht um unser Land.

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Rundblick: Was macht denn in Berlin die Regierungsbildung aus Ihrer Sicht so schwierig?

Althusmann: Das Durchstechen von internen Informationen auf der einen Seite, die Empfindlichkeiten und manche Eitelkeiten auf der anderen. Wenn sich Politiker und Medien gegenseitig hochschaukeln, kann nicht viel Gutes dabei herauskommen. Und eines müssen die Politiker schlicht akzeptieren: Negative Kommentare zu Entscheidungen gehören zur Politik dazu, sie sind kein Drama. Man muss das manchmal hinnehmen, wenn man entscheidet. Ich wünsche mir mehr Mut zu klaren Entscheidungen.

Rundblick: Als Wirtschafts- und Verkehrsminister wollen Sie Bauvorhaben schneller zur Realisierung bringen. Wie soll das funktionieren?

Althusmann: Ein Modellprojekt wollen wir unter anderem bei der Bundesstraße 3, Ortumgehung Elstorf, angehen. Das steht im Zusammenhang mit der A26, von der es vor 40 und gar 50 Jahren schon hieß, der Bau könne jetzt bald loslegen. Wir brauchen verkürzte Planverfahren – übrigens auch beim Breitbandausbau. Immer häufiger bestehen Bundesbehörden auf das zeitlich aufwändigere Planfeststellungsverfahren, statt auf das kürzere Genehmigungsverfahren zu setzen, wenn dies inhaltlich möglich ist.

 

Rundblick: Wie? Mit weniger Bürgerbeteiligung?

Althusmann: Nein, mit einer anderen Art von Bürgerbeteiligung. Wenn wir beispielsweise verstärkt die digitalen Medien einsetzen, könnten Fristen verkürzt werden. Außerdem muss geklärt werden, ob künftig auch Nicht-Betroffene gegen ein Infrastruktur-Projekt klagen können – oder ob das auf bestimmte Verbände begrenzt werden könnte. Das deutsche Planungsrecht muss dringend überarbeitet werden. Wenn ein zwei Kilometer langer Deichabschnitt erneuert werden muss,  erarbeiten wir bis zu 500 Seiten starke Antragsunterlagen – und dazu noch einen ähnlichen Umfang an Material für den Planfeststellungsbeschluss. Wir müssen darüber reden, wie das gestrafft werden kann. Entweder geschieht das per Landesgesetz – oder wir müssen eine Bundesratsinitiative starten. Ich hoffe, dass uns eine neue Große Koalition im Bund dabei unterstützt.

Rundblick: Sie wollen auch die Förderprogramme stärker bündeln, haben Sie angekündigt.

Althusmann: Die Vorgängerregierung hat noch 2017 ein Programm zur Förderung von Langzeitarbeitslosen auf den Weg gebracht, das gut gemeint ist, aber nicht so erfolgreich war wie erhofft. Die Jobcenter und Kommunen hatten nicht im erwarteten Umfang Mittel beantragt. Das lag auch daran, dass es parallel viele weitere Förderprogramme gab. Wir müssen das, was vorhanden ist, besser aufeinander abstimmen – und den Überblick über die Angebote von Bund und Land behalten. Hinzu kommt die Aufgabe des Bürokratieabbaus. Unsere Wirtschaft beklagt zu Recht jährlich 45 Milliarden Euro Bürokratiekosten bundesweit. Vieles lastet auf den kleinen und mittleren Unternehmen. Nicht nur ich bezweifle, ob wirklich alle Dokumentations- und Meldepflichten sinnvoll und notwendig sind. Wir müssen hier Luft zum Atmen schaffen.

Rundblick: Wie gehen Sie mit Volkswagen um – es könnte die größte Herausforderung Ihres Amtes werden…

Althusmann: Zu der Umgestaltung meines Ministeriums gehört, dass das Beteiligungsmanagement auch durch eine bessere Vernetzung der im Haus vorhandenen Expertise besser und professioneller aufgestellt wird. Ich strebe eine engere Verknüpfung unserer wirtschaftswissenschaftlichen und juristischen Experten an. Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium müssen sich da gut ergänzen.

Rundblick: Und Ihr Ministerium soll größer werden. Deutlich größer? Eigentlich hat die CDU doch immer Sparsamkeit gepredigt…

Althusmann: Die Digitalisierung als größte Zukunftsaufgabe des Landes, die derzeit auf viele Behörden und Kompetenzzentren verteilt ist, soll im Wirtschaftsministerium koordiniert werden. Zusätzlich wollen wir das wichtige Beteiligungsmanagement ausbauen, den Mittelstandsbeauftragten besser aufstellen oder die Entbürokratisierung vorantreiben. Alle diese Aufgaben sind personalintensiv. Das Entbürokratisierungsbüro im Wirtschaftsministerium beschränkt sich derzeit auf eine halbe Stelle – wenn man es effektiv machen will, brauchen wir Verstärkung. Klar ist aber auch: Der Mehrbedarf an Stellen, der gegenwärtig nötig wird, sollte im Laufe der Legislaturperiode über den Abbau von Personal an anderen Stellen der Verwaltung wieder ausgeglichen werden. Das halte ich für sinnvoll.