Wenn Bernd Althusmann das Klein-Klein der Politik mal satt hat, wenn er eine Auszeit braucht, dann sehnt er sich nach Namibia zurück. Den nächtlichen Sternenhimmel in Windhoek zu erleben, ungestört vom Kunstlicht, das überall in Europa den Blick verfälscht, sei schon etwas ganz Besonderes. Die ganze Pracht der unzähligen leuchtenden Sterne entfalte sich. „Dann merkt man auch, wie begrenzt das eigene Wirken sein kann“, sagt der 49-Jährige. Wenig später meint er, nach einer nachdenklichen Pause: „Politik ist nicht alles im Leben.“

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Ist für Althusmann, der an diesem Wochenende von CDU-Landeschef David McAllister und von der CDU-Landtagsfraktion als neuer Spitzenkandidat für die Landtagswahl aufs Schild gehoben wurde, Politik wirklich nicht alles? 1994 kam er, damals mit 27, in den Landtag. Erst galt er als Einzelgänger und Außenseiter, still und verschlossen. Ein Bundeswehroffizier, ein wenig steif und formal, hieß es. Mit Uwe Schünemann schrieb er ein Thesenpapier zur Verwaltungsreform, fiel erstmals auf. 2003 dann, als CDU und FDP die Regierung übernahmen, rückte ein starkes Team an die Spitze der CDU-Fraktion: Der feurige, in der Partei beliebte Redner McAllister als Vorsitzender, ein Volkstribun, und der kühle Stratege Bernd Althusmann als Geschäftsführer an seiner Seite. Althusmann wurde lockerer, zugewandter, geschätzter. Er beherrschte das Geschäft, kannte alle wichtigen Fakten – und verstand es, die Dinge aus dem Hintergrund zu steuern. Lange hatte er darauf gewartet, unter Christian Wulff Karriere machen zu können – nach der Wahl 2008 dann gelang es. Erst opferte er sein Landtagsmandat, um als Staatssekretär der Ausputzer im Kultusministerium zu werden, wenig später dann stieg er zum Kultusminister auf. Er galt rasch als einer der Stärksten im Kabinett, als durch und durch verlässlicher Partner. Aber richtig beliebt wurde Althusmann nie, auch nicht in seiner Heimat Lüneburg. Seine Gegner warfen ihm vor, immer noch zu verbissen zu sein, zu wenig einfühlsam. Ein Journalist hatte ihn einst „Panzer“ getauft, eine Anspielung darauf, dass Althusmann nach dem Abitur eine Offizierslaufbahn bei der Panzertruppe einschlug und dann Pädagogik an der Bundeswehr-Hochschule in Hamburg studierte. Panzer sind hart und kalt. Dabei gilt das bei ihm doch nur für die Hülle.

„Politik ist nicht alles im Leben.“: Althusmann mit Parteichef McAllister und Fraktionschef Thümler am Samstag in Hannover - Foto: Jakob Brüning

„Politik ist nicht alles im Leben.“: Althusmann mit Parteichef McAllister und Fraktionschef Thümler am Samstag in Hannover – Foto: Jakob Brüning

2013 kam der Bruch in diesem Politikerleben. Er verlor das Landtagsmandat, entschied sich, für die Adenauer-Stiftung nach Namibia zu gehen. Knapp drei Jahre blieb er dort. „Ich bin ein anderer geworden“, sagt er heute. Aber merkt man ihm das an? Althusmann spricht über den täglichen Rassismus auf der Straße in manchen afrikanischen Ländern, über die Altersarmut der Menschen in Angola, über tägliche Anfeindungen, Korruption und das Gefühl, ein funktionierendes Staatswesen wie in Deutschland als hohen Wert zu schätzen. „Manchmal erscheint mir das, worüber wir uns im Landtag bis 2013 immer so aufgeregt haben, als nebensächlich.“

Die Arbeit in Namibia war für Althusmann eine Art Lebenstraum, er wollte eine andere Welt kennenlernen. Es war auch eine Annäherung an den mittlerweile verstorbenen Vater. Althusmann wurde 1966 als Einzelkind eines Pastoren und einer Krankenschwester in Oldenburg geboren. Der Vater wurde häufig versetzt, so erlebte Bernd als Kind verschiedene Orte – Edewecht, Leer und Fürstenberg im Weserbergland. Als er zehn Jahre alt war, ging die Familie nach Lüneburg, in jene Stadt, in der er später der CDU beitrat. Bevor sein Vater 1986 in den Ruhestand ging, hatte er noch als Bordpfarrer auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet – und viel von der Welt gesehen, etwa in Südamerika. Er sprach portugiesisch. Auch Bernd Althusmann lernte portugiesisch, eine Sprache, mit der er sich in Angola gut verständigen konnte. Das Interesse für fremde Menschen und Kulturen, das Mitgefühl für soziale Fragen – das sind Dinge, die seinen Vater immer charakterisierten. Der Sohn trat in seine Fußstapfen, näherte sich ihm damit an. Ob sich der frühere Bundeswehrsoldat, der als Finanzfachmann immer ein strikter und strenger Haushaltspolitiker war, nun zum verständnisvollen Sozialpolitiker gewandelt hat?

Jenseits von Afrika warten auf Althusmann jetzt ganz andere Herausforderungen: Er muss sich bekannt machen, mit der Volkstümlichkeit von Stephan Weil mithalten können, Netzwerke knüpfen und vor allem: die eigenen Anhänger jeden Tag aufs Neue motivieren. Der Mann aus dem Hintergrund muss in den Vordergrund treten, sich stärker öffnen und den Menschen zuwenden. Ganz so, wie es einst auch sein Vater, der Pastor, getan hatte. (kw)

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