Beamtenbund: Wir brauchen 50.000 weitere Leute im öffentlichen Dienst
Nach Schätzungen des Niedersächsischen Beamtenbundes (NBB) und des Niedersächsischen Richterbundes (NRB) braucht das Land Niedersachsen in den kommenden Jahren etwa 50.000 neue Mitarbeiter für die Behörden des Landes und der Kommunen, einschließlich der Gerichte. „Die Lage ist dramatisch: Ein Viertel der 220.000 Landesbediensteten ist älter als 50 Jahre, 30 Prozent der Mitarbeiter gehen bis 2026 in den Ruhestand. Wir haben jetzt schon massive Personalprobleme in vielen Bereichen – und das wird noch erheblich zunehmen“, sagte Alexander Zimbehl, erster NBB-Landesvorsitzender, vor Journalisten in Hannover.
Der NBB habe der Landesregierung und den Parteien im Landtag angeboten, in einer „Regierungskommission für den öffentlichen Dienst“ über die nötigen Schritte der besseren Nachwuchsgewinnung zu reden – aber auch über die Vereinfachung und die Entbürokratisierung der Verfahren. Ein Gedanke könne dabei sein, die staatliche Aufgabenwahrnehmung zu verschlanken, damit dies auch mit weniger Mitarbeitern ohne deren Überforderung geleistet werden kann. „Wir brauchen ein Gesamtpaket für den öffentlichen Dienst, die Politik ist dafür durchaus aufgeschlossen“, sagte Zimbehl. Der zweite NBB-Landesvorsitzender Peter Specke meinte, die bloße Privatisierung von Aufgaben könne nicht in Betracht kommen – dieses Konzept früherer Jahrzehnte habe sich „erledigt“.
In der Privatwirtschaft kann man Zulagen zahlen, wenn jemand in Ballungsräumen oder in ländlichen Gegenden tätig werden soll. Bei uns geht das leider nicht.
NBB und NRB sehen eine Fülle an Schwierigkeiten. So dauerten Antragsverfahren in vielen Behörden zu lange, das gelte auch für die Bearbeitung mancher Steuererklärungen. Die Gründe dafür lägen in der schon heute bestehenden Personalnot. Specke erklärte, im Bundesvergleich seien die niedersächsischen Besoldungen keinesfalls vorbildlich. Bei der Bezahlung der Sachbearbeiter liege Niedersachsen auf Platz 15 von 16 Ländern, die Bezahlung der Ingenieure rangiere auf den Positionen 13 oder 14, also auch ziemlich weit hinten. Der Anteil der Auszubildenden an der Zahl der Beschäftigten erreiche hierzulande bei sechs Prozent, das sei sehr gering. Im Sozial- und Erziehungsdienst, also bei den Kindergärten, fehlten laut Städtetag heute schon 12.000 Stellen. „Das kann ein großes Thema im Kommunalwahlkampf 2021 werden“, sagte Specke.
Tarifverhandlungen stehen im Spätsommer an
Die Tarifverhandlungen für Bundes- und Kommunalbeschäftigte werden für Spätsommer dieses Jahres erwartet, die für die Landesbediensteten dann 2021. In beiden Runden kommt es auf Arbeitgeberseite sehr stark auf niedersächsische Politiker an. Verhandlungsführer der Kommunen ist Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), Verhandlungsführer der Länder der hiesige Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). Der NRB-Vorsitzende Frank Bornemann kritisierte die mangelnde Flexibilität des Beamtenrechts: „In der Privatwirtschaft kann man Zulagen zahlen, wenn jemand in Ballungsräumen oder in ländlichen Gegenden tätig werden soll. Bei uns geht das leider nicht.“ Die Belastung der Justiz sei vor allem deshalb so hoch, weil viele gesetzliche Vorgaben des Bundes, etwa zur Verfolgung der Hass-Kriminalität, auf dem Rücken der Länder ausgetragen würden. Der Bund mache es sich dann oft einfach und behaupte in den Gesetzentwürfen pauschal, damit sei keine Mehrarbeit verbunden. „Das ist eine gedruckte Unverschämtheit.“
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Beamtenbund schlägt „Melderegister“ für Übergriffe vor
Die beiden Organisationen starten auch eine Initiative zum besseren Schutz der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes vor Bedrohungen und Angriffen. Zimbehl betont, ein „zentrales Melderegister“ für alle Übergriffe auf Mitarbeiter – Rettungskräfte im Einsatz, Mitarbeiter in Behörden oder etwa Gerichtsvollzieher – sei sinnvoll. Es dürfe auch nicht mehr angehen, dass die Ermittlungsverfahren bei solchen Taten von den Staatsanwaltschaften „mangels öffentlichem Interesse eingestellt“ werden. „Das öffentliche Interesse muss in diesen Fällen von vornherein gegeben sein“, sagt der NBB-Vorsitzende. Specke meinte, das Bekenntnis des Landtags, sich an die Seite der Betroffenen zu stellen, reiche an sich noch nicht aus. „Wir erwarten mehr und vermissen mehr Rückhalt von der Politik.“ Nötig sei auch eine Gefährdungsanalyse für jedes Verwaltungsgebäude und die Entscheidung, dort wenn nötig bessere Schutzvorkehrungen vorzusehen.