Bayern-Ergebnis schockiert die GroKo in Niedersachsen
Das schwache Abschneiden von CSU und SPD bei der gestrigen Landtagswahl in Bayern ist bei den Spitzenpolitikern von Christ- und Sozialdemokraten in Niedersachsen gedämpft bewertet worden. Der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann sagte Sonntagabend dem Politikjournal Rundblick auf die Frage, ob nun ein baldiger Rücktritt von Kanzlerin Angela Merkel wahrscheinlich geworden ist: „Die Turbulenzen der vergangenen Monate in der Bundesregierung waren nicht hilfreich für die Wahlkämpfer. Vor allem der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer wird sein Verhalten bewerten müssen. Nach der Landtagswahl in Hessen in zwei Wochen werden wir eine faire Debatte über die Fehler und die Konsequenzen führen.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Niedersachsen, Wiard Siebels, meinte auf die Frage, ob die SPD nun die Bundesregierung verlassen sollte: „Besser wäre es, die CSU verließe die Bundesregierung.“ Der CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende Dirk Toepffer meinte zu den Auswirkungen des Bayern-Ergebnisses auf Niedersachsen. „Die hiesige Große Koalition ist und bleibt stabil – und davon profitieren die Bürger.“ Auch der Sozialdemokrat Siebels meinte: „Ich habe den Eindruck, dass die Bürger die Regierungsarbeit in Niedersachsen als zuverlässig und vernünftig erleben.“
Obwohl am Abend in München und Berlin eher abgewogene Stellungnahmen vorgetragen wurden, rechnen Beobachter für die kommenden Tage mit Rückwirkungen auf die Konstitution von CDU/CSU und SPD bundesweit – zumal beide ohnehin destabilisiert wirken. Ein möglicher Bruch der Großen Koalition in Berlin wäre aber wohl keine Bedrohung für die Große Koalition in Niedersachsen. Dazu gibt es derzeit im Land noch genügend starke innere Bindungskräfte auf beiden Seiten. Zwar wird nicht ausgeschlossen, dass es irgendwann in den nächsten beiden Jahren einen Übergang zu einer Ampelkoalition (SPD, Grüne und FDP) oder einer Jamaika-Koalition (CDU, FDP und Grüne) geben wird. Wegen Entwicklungen vor allem in der FDP scheint die Ampel für den Fall eines vorzeitigen Koalitionsendes gegenwärtig die wahrscheinlichere Variante zu sein, da FDP-Chef Stefan Birkner sein früher striktes Nein zu einem Dreier-Bündnis inzwischen – auch auf Druck aus der eigenen Partei – abgeschwächt hat.
Aber weder Stephan Weil und seine SPD noch Bernd Althusmann und seine CDU haben derzeit ein Interesse, die Große Koalition in Hannover platzen zu lassen. Althusmann könnte wohl nicht auf eine Unterstützung der Grünen setzen, die er als Jamaika-Ministerpräsident bräuchte, und Weil hätte in der aktuellen Lage keinen Vorteil davon, wenn er die CDU als Juniorpartner durch Grüne und FDP ersetzen würde – zumal das Unruhe in die SPD brächte, die nach dem Bayern-Debakel bundesweit schon aufgewühlt genug ist. Weils Vorteil auf der Bundesebene ist aber gerade, dass er dort als Hort von Stabilität und Unaufgeregtheit wahrgenommen wird.
Das könnte die Zukunft bei SPD und CDU bringen
Wie werden die Rollen der beiden niedersächsischen Parteien sein, wenn – spätestens nach der Hessen-Wahl – der Richtungskampf bei Union und SPD zunehmen sollte? Die CDU hat bisher immer loyal zur Kanzlerin gestanden, auch wenn Althusmann im Sommer in der Debatte über die Flüchtlingspolitik inhaltlich auch Sympathie für Haltungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer erkennen ließ. Was den Stil der CSU in den vergangenen Wochen angeht, gehen Althusmann, Toepffer und andere niedersächsische CDU-Größen aber klar auf Distanz zu den bayerischen Freunden. Zwar zählen die Niedersachsen nicht zu denen, die vorbehaltlos zu Merkel und ihrer Politik stehen (wie etwa die Schleswig-Holsteiner), wohl aber dürfte eine mögliche CDU-interne Revolte gegen die Kanzlerin nicht von Niedersachsen ausgehen. Im Landesverband genießt die CDU-Chefin noch reichlich Sympathien.
Bei der SPD geht es um die Zukunft der intern zunehmend umstrittenen Bundesvorsitzenden Andrea Nahles. Wenn sie unter dem Druck der riesigen parteiinternen Unzufriedenheit aufgibt, wäre dann Ministerpräsident Stephan Weil ein möglicher Nachfolger? Weil selbst hat derartige Spekulationen stets zurückgewiesen. Auf der anderen Seite vertritt er mittlerweile den mit Abstand stärksten SPD-Landesverband – und weil Olaf Scholz aus Hamburg als Bundesfinanzminister jetzt schon zum engsten SPD-Führungskreis zählt, wäre Weil neben Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz der einzige, der von außen mit einer starken Hausmacht ausgestattet als Retter in der Not gerufen werden könnte.
Allerdings geht es in der SPD zunehmend auch um eine inhaltliche Richtungsdebatte. Soll sich die SPD von den unter Gerhard Schröder eingeführten Hartz-Reformen lösen und verstärkt um die linken Wählerstimmen werben? Dafür stünde Weil vermutlich nicht zur Verfügung, da er dies wahrscheinlich für den falschen taktischen Weg hielte.
Auch Siebels‘ Bewertung des gestrigen Wahlergebnisses lässt diesen Schluss zu. „Ich möchte die Frage aufwerfen, warum sich in Bayern die von der CSU enttäuschten Wähler nicht der SPD zugewandt haben, sondern den bewusst bürgerlich auftretenden Grünen. Eine Antwort habe ich auch nicht. Aber in einem immer stärker werdenden Linkstrend allein kann die Lösung wohl nicht liegen“, sagte Siebels dem Rundblick.
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