Trotz Blockade-Aktionen: Zuspruch aus der Politik
Sind die Traktor-Blockaden gegen den Lebensmitteleinzelhandel gerechtfertigt? Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) stimmt den demonstrierenden Landwirten zumindest inhaltlich voll zu. Auf Rundblick-Anfrage kritisierte sie jedoch, dass die jüngsten Demonstrationen vor einem Lidl-Warenlager nicht ordnungsgemäß angemeldet waren. „Die Demonstrationen in Cloppenburg und anderen Orten haben Wirkung gezeigt“, erklärte die Ministerin. „Dennoch appelliere ich an die Organisatoren, ihre Versammlungen entsprechend anzumelden, damit die zuständigen Behörden die Sicherheit aller Teilnehmer gewährleisten können.“
Seit einigen Wochen hat die Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV) die Gangart gegen den Lebensmitteleinzelhandel verschärft. Bereits Ende Oktober forderten die Landwirte die Lebensmittelkonzerne zu Gesprächen über Preise und Handelspraktiken auf. Um ihren Forderungen Gehör und entsprechenden Nachdruck zu verleihen, blockierten die Bauern mit ihren Traktoren die Zufahrten zu verschiedenen Warenlagern der Unternehmen. Trotz erster Gesprächszusagen spitzte sich die Lage in den vergangenen Tagen nun erheblich zu. Von Sonntag- bis Dienstagabend hielt die Bauernbewegung eine illegale Blockade eines Lidl-Lagers im Landkreis Cloppenburg aufrecht.
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Bauern-Blockaden sollen bessere Preise erzwingen
Auslöser war ein Brief, den die Konzernchefs des Lebensmitteleinzelhandels an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) adressiert hatten. Darin beschwerten sie sich über Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Diese hatte vor wenigen Wochen einen Gesetzentwurf vorgestellt, mit dem die Marktposition der kleineren Lieferanten und landwirtschaftlichen Betriebe gegenüber den Handelsketten verbessert werden soll. Die Konzerne fühlten sich jedoch durch die Aussagen der Ministerin in ein schlechtes Licht gerückt.
Klöckner sagte damals, mit dem neuen Gesetz sollen Bauern gegen „unlautere Handelspraktiken“ besser geschützt werden: „Damit gewinnt David gegenüber Goliath deutlich an Stärke“. Beispielsweise soll verboten werden, dass ein Käufer Bestellungen von verderblichen Lebensmitteln kurzfristig stornieren darf, oder erst später als 30 Tage nach Lieferung bezahlt. Ein Händler soll außerdem die Lieferbedingungen, Preise oder andere Konditionen nicht mehr einseitig ändern können. Auch sollen die Käufer den Lieferanten nicht mehr mit Vergeltungsmaßnahmen kommerzieller Art drohen dürfen, wenn der Lieferant von seinem Recht Gebrauch machen will. Die Händler sollen darüber hinaus keine Zahlungen für die Lagerung der Produkte verlangen dürfen. Verstöße sollen künftig mit einem Bußgeld in Höhe von 500.000 Euro sanktioniert werden.
Bauernproteste zeigen Erfolg
Die Bauernbewegung scheint mit ihren Trecker-Demos und -Blockaden mittelfristig erfolgreich zu sein. Der Protest in Cloppenburg zog Bundesagrarministerin Klöckner noch deutlicher auf die Seite der Landwirte. Nachdem Silvia Breher, CDU-Bundestagsabgeordnete aus Cloppenburg und neben Klöckner Vize-Bundesvorsitzende ihrer Partei, die Ministerin um Unterstützung gebeten hatte, telefonierte diese mit Klaus Gehring, dem Chef der Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören. Am Abend des 1. Dezember suchte Gehring sodann das Gespräch zu den Demonstranten und kündigte an, noch in dieser Woche mit Politik, Verbänden und Handelspartnern in Gespräche über die Verbesserung der Situation der Landwirte einzusteigen. Daraufhin löste LsV die Blockade des Lagers auf.
Ich kann den Unmut vieler Landwirte über die niedrigen Erzeugerpreise gut verstehen.
Im niedersächsischen Landtag erhalten die Landwirte für ihren Kurs derweil Zuspruch von den Grünen bis zur CDU. Miriam Staudte, Agrarpolitikerin der Grünen-Fraktion, erklärte auf Rundblick-Anfrage: „Ich finde es richtig, dass mit den Protesten Preisdumping thematisiert wird.“ Grundsätzlich müsse aber bei jedem Protest die Sicherheit der Beteiligten und auch der Polizei gewährleistet sein, sagte sie.
„Ich verstehe den Unmut“, erklärte auch Christoph Eilers, CDU-Landtagsabgeordneter aus Emstek (Kreis Cloppenburg), wo die Bauern demonstrierten. „Der Lebensmitteleinzelhandel darf sich dieser notwendigen Diskussion nicht entziehen, nur zusammen können tragfähige Lösungen erarbeitet werden.“ Ähnlich argumentiert auch Niedersachsens Agrarministerin Otte-Kinast. Auf Rundblick-Nachfrage erklärte sie am Mittwoch: „Ich kann den Unmut vieler Landwirte über die niedrigen Erzeugerpreise gut verstehen.“ Sie lobte den Vorstoß der Bundesagrarministerin und kündigte an, in Niedersachsen wolle sie mit einem Gesellschaftsvertrag die Einkommensinteressen der Landwirte mit den Anforderungen der Gesellschaft in Einklang bringen.