Schwarz-Grün nach der Landtagswahl? Das hat Bernd Althusmann, CDU-Ministerpräsidentenkandidat, gestern so deutlich wie selten zuvor ausgeschlossen. „Mit diesen Grünen in Niedersachsen ist eine Koalition undenkbar“, hat er Minuten vor dem Start des „kleinen Parteitags“ der Landes-CDU gesagt. Basta. Die Wählerschaft der Grünen aber hat der Christdemokrat schon im Blick, und einen Hinweis darauf kann man in einer überraschenden Personalie sehen.

Jetzt im Kompetenzteam von Bernd Althusmann: Barbara Otte-Kinast – Foto: KW

Am Dienstagabend hat Althusmann das erste Mitglied seines „Kompetenzteams“ vorgestellt, es ist die 52-jährige gelernte Hauswirtschaftsleiterin Barbara Otte-Kinast, seit drei Jahren Landesvorsitzende des Landfrauenverbandes – und Vize-Ortsbürgermeisterin in Beber bei Bad Münder (Kreis Hameln-Pyrmont). Die Mutter dreier erwachsener Kinder kennt sich aus in der Agrarpolitik, will für alle Bauern ein offenes Ohr haben und auch dem Verbraucherschutz viel Beachtung schenken.

Großen Nachholbedarf im Tierschutz sieht sie nicht, wie sie sagt. Doch zwei andere Umstände können die CDU-Frau womöglich doch attraktiv für Leute machen, die früher eher die Grünen gewählt haben: Erstens geht sie sehr schonend mit den bisherigen Grünen-Ministern um. Christian Meyer etwa habe sich sehr um die Landfrauen gekümmert, „ein offenes Ohr gehabt“, wenn er auch teilweise „ideologisch“ unterwegs sei. Und mit Stefan Wenzel habe sie „viele gute Gespräche geführt“, obwohl es „wenig gebracht habe“.

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Das sind nun ungewohnt verhaltene Werturteile über die Grünen aus dem Mund von CDU-Spitzenkräften. Zweitens ist dies auch deshalb beachtlich, weil Otte-Kinasts Nominierung zugleich bedeutet, dass zwei andere CDU-Agrarpolitiker aus dem Landtag nicht Althusmanns Schatten-Agrarminister geworden sind, und zwar Helmut Dammann-Tamke aus Stade und Frank Oesterhelweg aus Wolfenbüttel. Beide hätten, wenn sie nach Landwirtschaftsminister Meyer gefragt worden wären, vermutlich eine andere Wortwahl bevorzugt.

Nun heißt das nicht, wie Althusmann betonte, dass diese beiden Abgeordneten bei der Neubesetzung von Posten nach der Landtagswahl leer ausgehen werden. Aber immerhin: Der CDU-Spitzenkandidat setzt früher als zunächst geplant ein Signal  – er schickt eine Frau, die einen milden und sachlichen Tonfall bevorzugt, als seine Waffe in den Wahlkampf zum wichtigen Thema Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Otte-Kinast, die den Vorsitz des Landfrauenverbandes ab sofort ruhen lassen will, garantiert vermutlich eine wenig polemische, womöglich auch weniger scharfe Auseinandersetzung. Es dürfte dem Amtsinhaber Meyer schwer fallen, sich an den Haltungen einer Schatten-Ministerin zu reiben, die sich nicht von ihm provozieren lassen will.

Der Wolf ist ein Raubtier, und er wird ins Jagdrecht kommen in Niedersachsen

Aber das neue Kompetenzteam-Mitglied bleibt nicht die einzige Überraschung, die Althusmann an diesem Dienstag zu bieten hat. Er präsentiert noch inhaltliche Ansagen, die auch klarer und konsequenter klingen als in den vergangenen Monaten. Zum Beispiel, was den Wolf angeht: Otte-Kinast drückt sich zunächst noch vorsichtig aus, man müsse „mehr Wölfe vergrämen und Problemwölfe auch entziehen“, sagt sie. Althusmann setzt sodann noch einen drauf: „Der Wolf ist ein Raubtier, und er wird ins Jagdrecht kommen in Niedersachsen“, betont er. Oder das Thema Volkswagen: Der Ministerpräsident müsse im Aufsichtsrat „eine aktivere Rolle spielen“, außerdem sei der Ruf nur nach Elektromobilität zu einseitig – „Wir brauchen einen Antriebsmix“.

Althusmann kündigt 3000 zusätzliche Polizeibeamte für die nächste Wahlperiode an, will allen Lehramtsstudenten, die ihre Studium erfolgreich abschließen, eine Einstellungsgarantie geben, er will eine Milliarde Euro in den Breitbandausbau und die Digitalisierung stecken, er setzt darauf, dass das Stahlwerk in Salzgitter trotz der Gespräche über eine Stahlfusion eigenständig bleiben kann und er will entschlossener gegen Linksextremisten – etwa in Göttingen – vorgehen. Die vier Ämter der Landesbeauftragten für Regionalentwicklung will er auflösen – aber gleichzeitig acht neue Behörden schaffen, er nennt sie „Innovationszentren“, die die EU-Förderung und infrastrukturelle Erschließung der Regionen bearbeiten sollen. Die Steuerbundquote, mit der die Höhe des Kommunalen Finanzausgleichs bestimmt wird, solle angehoben werden.

Wollen wir Leuten Verantwortung geben, die am Ende sogar bereit sind, Pyrotechnik in Fußballstadien abbrennen zu lassen? Ja, wo leben wir denn?

In seiner Rede vor den 90 Delegierten des „kleinen Parteitags“ erhält der CDU-Spitzenkandidat an drei Stellen richtig langen, kräftigen Beifall. Das erste Mal, als er auf Innenminister Boris Pistorius eingeht, ohne ihn namentlich zu nennen. „Wollen wir Leuten Verantwortung geben, die am Ende sogar bereit sind, Pyrotechnik in Fußballstadien abbrennen zu lassen? Ja, wo leben wir denn?“ Rhythmisch wird daraufhin applaudiert. Das zweite Mal kommt Jubel auf, als der Spitzenkandidat den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz angreift, der mehr Bundeskompetenz für die Bildungspolitik fordert. „Wir können doch nicht das Chaos der sozialdemokratischen Kultuspolitik aus Niedersachsen auf ganz Deutschland übertragen!“ Stürmischer Applaus ertönt, wie wenig später auch zum Thema Autobahnbau: „Wir müssen endlich mal vorankommen und es einfach mal machen“, ruft er in den Saal.

Nach der Rede stehende Ovationen, dann eine kurze Debatte über das Wahlprogramm und anschließend die Abstimmung. Mögen auch manche Punkte in dem 99 Seiten starken Papier sehr detailliert formuliert sein, es heißt ja auch „Regierungsprogramm“, so ist der Partei doch nicht nach allzu viel Debatte zumute. Die fast 700 Anträge werden zügig abgearbeitet und abgestimmt. Man ist ja auch schon mitten im Wahlkampf. (kw)