Autos für den „Greenovator“
Darum geht es: Der Automobilindustrie stehen gewaltige Veränderungen bevor. Was macht eigentlich Volkswagen? Ein Kommentar von Martin Brüning.
Disruptiv, das Wort, das in keinem Managervortrag heutzutage fehlen darf, wird gerade in der Autoindustrie in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich zur alltäglichen Standardvokabel. Die Branche muss sich auf massive Veränderungen einstellen, die ihr bisheriges Geschäftsmodell vollständig auf den Kopf stellen könnten. Die Veränderungen kommen gleich von mehreren Seiten, an dieser Stelle seien fünf von ihnen exemplarisch genannt.
- Die Digitalisierung: Das selbstfahrende Auto könnte unsere Mobilität vollständig verändern. Der Satz von Auto-Uninteressierten, man wolle ja nur von A nach B kommen, wird zum täglichen Prinzip. Vor ihrem Haus hält in der Zukunft ein Auto und bringt Sie zum gewünschten Ziel. Sitzen Sie in einem Opel, einem Peugeot oder einem Apple-Mobil? Völlig egal.
- Die Konkurrenten: Nokia baute einst Gummistiefel, dann Handys – und bietet heute unter anderem Internet-Dienstleistungen an. Auch die Welt der Automarken muss morgen nicht mehr aussehen wie heute. Ein Apple-Auto mit BMW-Karosserie? Ein Google-Mobil in Form eines Opels? Durchaus denkbar.
- Der Konsolidierungsdruck: Weniger Wachstum führt automatisch zu einer Neuordnung der Branche. Die mögliche Fusion zwischen den schwächelnden Autobauern Opel und Peugeot ist nur ein Beispiel dafür. Wird es Verlierer geben, werden Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen? Höchstwahrscheinlich.
- Die Märkte der Zukunft: Die Nachfrage in Europa, Nordamerika und Japan ist gesättigt. Die Zukunft liegt in China, vielleicht ja auch in Indien. Nach welchen Regeln wird dann gespielt? Nicht mehr nach unseren.
- Die neuen Verbraucher: Der „Greenovator“ verbindet Umweltbewusstsein und einen nachhaltigen Lebensstil mit Lebensqualität. So definieren Experten einen Mobilitätstypus, der schon in wenigen Jahren rund ein Drittel der potenziellen Autokäufer ausmachen wird. Sollte sich die Industrie darauf einstellen? Unbedingt.
Für den Kampf um die Marktanteile der Zukunft wäre Volkswagen eigentlich gut gerüstet. Das Unternehmen ist breit und kräftig aufgestellt. Es verfügt über fähige Forscher und Entwickler und hätte die Möglichkeiten, zum Treiber im Wettbewerb um die Mobilität der Zukunft zu werden. Umso unglücklicher ist es, wie der Marke VW gerade von außen und innen Schaden zugefügt wird. „Ich war tief betroffen. Ich hätte dergleichen bei Volkswagen nicht für möglich gehalten“, sagte Ministerpräsident Stephan Weil gestern vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Auch anderthalb Jahre nach dem Bekanntwerden von Dieselgate bekommt Volkswagen den Skandal nicht in den Griff. Gleichzeitig wird ein Machtkampf zwischen Betriebsrat und Markenvorstand Herbert Diess in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Dabei wird auch nicht davor zurückgeschreckt, interne Dokumente der Presse zuzuspielen.
Lesen und hören Sie auch:
Einige Kreise bei VW haben offenbar noch nicht mitbekommen, dass auch dem Autobauer Volkswagen der Wind bald kräftig ins Gesicht wehen könnte. Es sind Kämpfe von gestern, die gerade in Wolfsburg ausgetragen werden. Die Firma Opel baut seit vielen Jahren hervorragende Autos und droht nun dennoch unter die Räder zu geraten. Vielleicht sollte der nächste Betriebsausflug des VW-Betriebsrates einmal nach Rüsselsheim gehen. Die Veränderungen in der Automobilindustrie werden noch einige Opfer fordern. Es wäre für das Land und den Konzern zu wünschen, dass Volkswagen nicht darunter ist.
Mail an den Autor dieses Kommentars
https://soundcloud.com/user-385595761/vw-skandal-weil-vor-dem-landtagsausschuss