Glücksspiel: Automatenwirtschaft will das ganz große Rad drehen
Von Martin Brüning
„Wer hält den Glücksspielstaatsvertrag für suboptimal?“, fragt die Moderatorin auf dem Gaming-Summit, dem Kongress der Automatenwirtschaft. Alle Hände der rund 400 Gäste schnellen in dem Raum am Pariser Platz in Berlin-Mitte in die Höhe. „Wer hat Angst vor Einbußen oder um die eigene Existenz?“, lautet die zweite Frage. Fast alle Hände gehen hoch. „Wer glaubt, dass es 2021 eine gute Lösung beim Glücksspielstaatsvertrag geben wird?“ Nur noch fünf Hände gehen verzagt in die Höhe. Der Gaming-Summit findet im Axica statt, die Berliner nennen das Gebäude, das der Architekt Frank O. Gehry für sein gelungenstes Werk hält, auch den Wal am Brandenburger Tor.
Wie im Bauch eines Wals fühlt sich auch die Automatenwirtschaft. Gefangen in den engen Regularien für das stationäre Glücksspiel, während auf Online-Seiten und in Apps das illegale Glücksspiel in der unbegrenzten Freiheit des Internets wächst und wächst. „Zwischen zwei legalen Spielhallen mit Mindestabstand spielt drei Meter davon entfernt jemand auf dem Smartphone ein illegales Online-Glücksspiel ohne jegliche Regulierung.“ So beschreibt Georg Stecker, Vorstandssprecher des Automatenwirtschaftsverbandes die Situation. Die Glücksspiel-Regulierung verfehle ihr wichtigstes Ziel: das Glücksspiel der Nutzer in regulierte Bahnen zu lenken. Gleichzeitig müsse endlich Schluss sein mit der weiteren Knebelung der legalen Anbieter.
Wenn es zu einer Glücksspielregulierung kommt, ist es inkohärent, die Abstandsregelungen in den Kommunen wie bisher zu belassen
Geht es nach der Branche, wird im neuen Glücksspielstaatsvertrag das ganz große Rad gedreht. Sie will erreichen, dass darin nicht nur das Online-Glücksspiel, sondern auch das stationäre Glücksspiel reguliert wird – und das nach qualitativen Kriterien. Das hatte Stecker auch bei einem Termin der Automatenwirtschaft Niedersachsen vor gut einer Woche gefordert. „Wenn es zu einer Glücksspielregulierung kommt, ist es inkohärent, die Abstandsregelungen in den Kommunen wie bisher zu belassen“, meint Stecker.
Schleswig-Holstein – das „enfant terrible“
Damit löst er bei Ingbert Liebing, Staatssekretär in Schleswig-Holstein, wenig Begeisterung aus. Das Bundesland mit dem liberalsten Glücksspielrecht, in einigen Bundesländern gerne als „enfant terrible“ bezeichnet, möchte das stationäre Glücksspiel beim nächsten Vertrag, der Mitte 2021 in Kraft treten soll, lieber ausklammern. „Das Thema würde das Gesamtpaket noch einmal eine Nummer schwerer machen, das Brett doppelt so dick. Das würde die Einigungschancen nicht erhöhen“, befürchtet Liebing.
Dass sich etwas ändern muss, davon ist Liebing überzeugt. Die aktuelle Situation sei unbefriedigend. „Die Sonderrolle Schleswig-Holsteins ändert nichts an den Missständen. Ein Verbot, dessen Einhaltung ich nicht kontrollieren kann, hat keine Berechtigung.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster spricht von einem „dramatischen Gefälle“ zwischen den stationären und den Online-Angeboten. „Es ist erstaunlich, wie viele Regelungen es für Spielhallen vor Ort gibt. Es fehlt nur noch, dass man regelt, wie oft man zur Toilette gehen darf.“
Für die Online-Angebote gebe es dagegen überhaupt keine Regulierung. Da könne man 24 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche durchspielen. Man müsse sich deshalb nicht wundern, dass Nutzer in Richtung der illegalen Angebote abwanderten. Georg Stecker vom Automatenwirtschaftsverbandes hält es für unzumutbar, dass Spielhallen vor Ort verschwänden und durch illegale Online-Angebote ersetzt würden, für die auch noch dreist geworben werde.
Ein Verbot, dessen Einhaltung ich nicht kontrollieren kann, hat keine Berechtigung.
Auch Christian Gaebler, Chef der Berliner Staatskanzlei, der das Thema für die Seite der SPD-geführten Länder koordiniert, ist der Meinung, dass die derzeitigen Regularien nicht mehr ausreichen. Er hofft auf eine ländereinheitliche Lösung. An bis zu 16 unterschiedlichen Regelungen könne niemand Interesse haben. Das sieht auch die Landesregierung in Niedersachsen so. Sie wolle sich weiterhin dafür einsetzen, dass es insbesondere beim sonstigen Online-Glücksspiel, jenseits der Sportwetten, bei einer bundesweit einheitlichen Regulierung bleibt, heißt es aus dem Innenministerium in Hannover.
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Erstaunlich optimistisch ist Professor Patrick Sensburg, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Sauerland. Er sieht eine „Riesenchance“, mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag eine konvergente Regelung zu schaffen und hofft, dass bis zum Ende des Jahres ein vernünftiges Konzept auf den Schreibtischen der Chefs der Staatskanzleien liegen wird. Im niedersächsischen Innenministerium will man sich noch nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Es gelte zunächst die die weiteren laufenden Verhandlungen der Länder abzuwarten, heißt es auf Rundblick-Nachfrage.
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Und wenn es zu keiner gemeinsamen Lösung der Bundesländer kommt? Professor Julian Krüper, Geschäftsführer des Instituts für Glücksspiel und Gesellschaft an der Universität Bochum, warnt vor einer Ungleichbehandlung der Glücksspielanbieter, die schon jetzt im Bereich des Vollzugs ein Problem zu sein scheine. Da entstehen Spannungslagen, die juristisch noch gar nicht erarbeitet seien. Ein gemeinsamer Weg, vielleicht auch mit Möglichkeiten für Online-Anbieter, ist aber noch nicht gänzlich vom Tisch. „Unsere Erfahrung in Schleswig-Holstein sagt: es geht, wenn man es will“, gibt Ingbert Liebing den anderen 15 Bundesländern mit auf den Weg.