In Niedersachsen haben auch im aktuellen Lehrjahr junge Menschen wieder keinen Ausbildungsplatz gefunden und Unternehmen keine passenden Bewerber. Die Zahlen wurden allerdings von Bundesagentur für Arbeit (BA) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) unterschiedlich interpretiert. Der Chef der BA-Regionaldirektion, Klaus Stietenroth, sagte, der Ausbildungsmarkt sei für die Jugendlichen noch ein bisschen besser geworden als im Jahr zuvor. „Die Tendenz geht in die richtige Richtung, allerdings mit sehr kleinen Schritten.“ DGB-Arbeitsmarktexperte Lars Niggemeyer kritisierte die Einschätzungen der Bundesagentur scharf. Sie sei nun einmal eine Bundesbehörde, die politischen Vorgaben folge und deren Aufgabe es sei, den Ausbildungsmarkt „eher rosig darzustellen“.

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Laut Bundesagentur für Arbeit gelten 1900 Jugendliche als unversorgt, zugleich blieben landesweit 3200 Stellen in Unternehmen unbesetzt. Die Lücke habe gleich mehrere Gründe. „Es nutzt zum Beispiel nichts, wenn eine Stelle in Göttingen angeboten wird, der Jugendliche aber in Nordhorn wohnt. Das ist dann nur rechnerisch ein Ausgleich“, erläuterte Stietenroth. Darüber hinaus gebe es bei vielen Jugendlichen weiterhin den Trend, in der Schule erst einmal zu versuchen, einen höheren Abschluss zu erreichen, beziehungsweise bei Abiturienten den Drang zum Studium. „Für einige wäre es vielleicht besser, erst einmal in das duale System der Ausbildung einzusteigen“, so der BA-Regionalchef. Er appellierte zudem an die Unternehmen, auch schwächere Bewerber einzustellen: „Auch diese Jugendlichen brauchen eine Chance.“ Die Bundesagentur für Arbeit biete hierbei die „assistierte Ausbildung“ an. Dabei werde der Betrieb unter anderem finanziell unterstützt. In diesem Jahr seien schon 900 assistierte Ausbildungen bewilligt worden, im gesamten vergangenen Jahr seien es 600 gewesen.

"Auch schwächere Jugendlichen brauchen eine Chance": Klaus Stietenroth (rechts), Regionalchef der Bundesagentur für Arbeit - Foto: MB.

„Auch schwächere Jugendliche brauchen eine Chance“: Klaus Stietenroth (rechts), Regionalchef der Bundesagentur für Arbeit – Foto: MB.

Der DGB kritisierte, die Zahlen der Bundesagentur gäben keinen Überblick über den gesamten Ausbildungsmarkt, da weder jede Stelle noch jeder Bewerber bei der Bundesagentur gemeldet sei. Insgesamt seien mehr als 10.400 junge Menschen ohne Ausbildungsplatz. Damit kämen auf eine unbesetzte Stelle rund 3,3 Bewerber. Viele Jugendliche hingen auch in Warteschleifen fest. Auch beim DGB sieht man vor allem Nachteile für schwächere Bewerber. Nur rund 38 Prozent der bundesweit angebotenen Ausbildungsplätze richteten sich an Hauptschüler. Damit blieben mehr als 60 Prozent der angebotenen Stellen Jugendlichen mit Hauptschulabschluss verwehrt.

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Es gebe ein Recht auf Ausbildung und freie Berufswahl, sagte DGB-Experte Niggemeyer. Deshalb müsste es seinen Worten zufolge deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerber geben. „Es macht keinen Sinn, einen Vegetarier dazu zu zwingen, Fleischer zu werden. Es ist schließlich sinnvoll, wenn man einen Beruf ergreifen kann, der ein wenig den eigenen Neigungen und Fähigkeiten entspricht.“ Der DGB plädierte erneut für eine Ausbildungsumlage, die Niggemeyer als den Königsweg bezeichnete. Dabei zahlt jeder Betrieb Geld in einen Fonds ein. Betriebe, die ausbilden, bekommen daraus Geld erstattet. Eine Alternative könnte dem DGB zufolge eine Ausbildungsgarantie nach dem Vorbild Hamburgs sein. Erfolglose Bewerber gehen dort für ein Jahr an die Berufsfachschule. Wer danach immer noch keine Lehrstelle bekommt, erhält einen staatlich finanzierten Ausbildungsplatz bei Trägern.