„Aus der Krise raus investieren“: Olaf Lies bringt Hermesbürgschaften ins Spiel
Olaf Lies startet mit einem großen Vertrauensvorschuss der Unternehmen in seine zweite Amtszeit als Wirtschaftsminister. Beim zwölften Tag der niedersächsischen Wirtschaft wurde das inoffizielle Regierungsprogramm des SPD-Politikers von den rund 300 Vertretern aus Industrie, Handwerk und Handel sehr wohlwollend aufgenommen. „Es ist nicht die Zeit für falsche Sparsamkeit. Wir müssen uns als Gesellschaft – als Unternehmen und als Staat – aus dieser Krise raus investieren, damit wir danach besser dastehen als vorher“, lautete Lies‘ Kernbotschaft. Er versprach den Unternehmern zudem Kontinuität, denn „ruckartige Bewegungen“ würden den Transformationsprozess nur stören, aus dem Niedersachsen als ein Gewinner der Zeitenwende hervorgehen soll. „Wenn wir es gut machen, wird Niedersachsen ganz besonders profitieren“, versprach Lies.
Energie ist Thema Nr. 1
Als größte und wichtigste Herausforderung der kommenden Legislaturperiode betrachtet Lies die Sicherstellung einer verlässlichen und bezahlbaren Energieversorgung für die Wirtschaft. Die Gas- und Strompreisbremse sieht er dabei nur als Zwischenschritt an. „Das schafft ein Stück Verlässlichkeit, das wir in der Krise dringend brauchen“, sagte der Wirtschaftsminister. Mit Blick auf die Industrieenergiepreise betonte er aber auch: „Wenn wir von 7 Cent für Gas und von 13 Cent für Strom reden, sprechen wir immer noch von exorbitanten Steigerungen.“ Lies will sich deswegen für eine Reform des Energiemarkts stark machen. „Es gibt ein Strommarktdesign, das nicht in die Welt passt“, kritisierte er. Auch das 100-Milliarden-Euro-Hilfspaket des Bundes für Unternehmen ist aus Sicht des 55-Jährigen nicht ausreichend. Er forderte: „Wir brauchen eine Härtefalllösung, die den Unternehmen unabhängig von der Frage hilft, ob es sich um gestiegene Energiekosten handelt oder nicht.“
Es muss alles schneller gehen
„Es muss uns gelingen, die Dinge einfacher zu machen, auch wenn die Herausforderungen sehr groß sind“, sagte Lies. Der Bau des Flüssiggas-Terminals Wilhelmshaven habe gezeigt, dass es durchaus möglich ist, Großprojekte innerhalb von acht Monaten statt acht Jahren umzusetzen. Das LNG-Beschleunigungsgesetz habe dabei eine wichtige, aber nicht die entscheidende Rolle gespielt. Den entscheidenden Unterschied haben aus seiner Sicht die unkomplizierten Absprachen zwischen den Genehmigungsbehörden und den Unternehmen gemacht. „Wir müssen solche Projekte viel konzentrierter koordinieren“, lautet für Lies die wichtigste Lehre aus dem Terminal-Bau.
Beim Ausbau der Windenergie will der Wirtschaftsminister den Unternehmen aber nicht nur beim Tempo entgegenkommen, sondern auch finanzielle Anreize schaffen. „Wir müssen nicht die Investitionen finanzieren, aber wir müssen das Amortisationsrisiko abmildern“, sagte Lies. Damit Investoren schon heute in Windkraftanlagen investieren, die sie erst morgen an den Markt bringen können, schlägt der SPD-Politiker ganz konkret Hermesbürgschaften vor. Diese Kreditgarantien werden bislang vor allem im Außenhandel eingesetzt, um deutschen Unternehmen zu Investitionen in schwierige Märkte zu motivieren. Dabei gilt das Prinzip: Kommt es zu Zahlungsausfällen aus unvorhersehbaren politischen oder wirtschaftlichen Ursachen, ersetzt der Staat die Verluste.
Wirtschaft soll auch für China offen bleiben
In der Debatte um den Hamburger Hafen-Deal mit China nahm der niedersächsische Wirtschaftsminister seinen Parteifreund Olaf Scholz in Schutz. „Bevor das andere über Anfragen herausfinden, sag ich das lieber gleich selbst: Ich habe mich schon vor Jahren für eine Beteiligung von Cosco beim Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven eingesetzt“, sagte Lies und warnte davor, China zu verteufeln. „China ist für Niedersachsen ein elementar wichtiges Wirtschaftsland“, betonte der SPD-Politiker. Er sprach sich auch dafür aus, nicht sämtliche Handelsbeziehungen zum Iran abzubrechen. Man dürfe zwar nicht akzeptieren, was dort geschieht, man dürfe das Land aber auch nicht vollständig abhängen.
Die Abhängigkeit der heimischen Wirtschaft vom Ausland will Lies insgesamt jedoch verringern. „Die Lieferkettenproblematik hat uns gezeigt, dass wir uns wieder mit der Frage auseinandersetzen müssen, wo wir Potenziale zur Wertschöpfung und Produktion auch wieder hier entdecken können“, sagte Lies. Insbesondere die Herstellung von Photovoltaik-Modulen will der Wirtschaftsminister gerne wieder nach Niedersachsen holen. Entsprechende Pläne hatte auch schon sein Kabinettskollege und Energieminister Christian Meyer (Grüne) geäußert.
E-Fuels sind okay – aber nicht für Privatautos
Müssen Bauunternehmen künftig ihren Fuhrpark auf E-Mobilität umrüsten? Diese Befürchtung aus dem Publikum wies der Verkehrsminister zurück. „Mir ist nicht wichtig, dass die Feuerwehr elektrisch fährt. Mir ist wichtig, dass sie pünktlich ankommt“, sagte Lies. Er habe überhaupt kein Problem damit, dass Einsatz- und Nutzfahrzeuge auch nach 2035 einen Verbrennungsmotor haben – sofern dieser mit klimaneutralen, synthetischen Kraftstoffen betrieben wird. Für den Privatverkehr sieht er die sogenannten E-Fuels jedoch nicht als Option. Da die synthetischen Kraftstoffe vor allem für Spezialfahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe benötigt werden, würde nicht genug E-Fuel für Autos übrigbleiben.
Dieser Artikel erschien am 25.11.2022 in der Ausgabe #210.
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