Darum geht es: Der Ausschuss für Agrarpolitik des Bundesrates hat den Antrag mehrerer Bundesländer abgelehnt, die Übergangsfrist für die betäubungslose Kastration von Ferkeln noch einmal zu verlängern. Niedersachsen hatte sich erst vergangenen Monat einem Vorstoß aus Bayern angeschlossen, der jetzt wenig erfolgversprechend scheint. Ein Kommentar von Isabel Christian.

Fristen haben die unangenehme Eigenschaft, dass man sie einhalten muss. Wird die Steuererklärung zu spät abgegeben, gibt es Strafzinsen. Ist die Projektpräsentation nicht bis zum Tag X fertig, kommt das Geschäft nicht zustande und das Unternehmen verliert Geld. Nun kann man behaupten, dass der Termin für das Ende der betäubungslosen Ferkelkastration damit schlecht vergleichbar ist. Denn ob man nun ab 2019 oder erst ab 2023 die Spritze ansetzt, bevor das Geschlechtsteil abgeschnitten wird, ist ja eigentlich egal. Man verliert durch den Aufschub kein Geld, eher müssen die Landwirte noch ein paar Jahre lang weniger Geld für die Kastration zahlen. Doch in allen drei Fällen geht es auch ums Prinzip. Und die Frist im Gesetz zum Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration ist genauso bindend wie die im Gesetz zur Abgabe der Steuererklärung. Ausnahmen müssen daher gut begründet sein.

Der Verbraucher ist der Grund, warum die Ferkel überhaupt kastriert werden. Denn das Fleisch kann, wenn der Schritt unterbleibt, beim Braten sehr unangenehm riechen. Kann, muss aber nicht. Daher gibt es schon einige Landwirte, die ihre Ferkel nicht kastrieren, aber die Tiere aussortieren, die schon vor der Schlachtung stinken. Auch einige Lebensmittelmarktketten werben mittlerweile dafür, dass sie Frischfleisch von nicht kastrierten Schweinen verkaufen. Denn das Fleisch wird vorher im Schlachthof sortiert. Allerdings gibt es hier noch einige Probleme. Nicht jeder Schlachthof will sich die Mühe machen und vor dem Verpacken noch die Schnupperprobe machen. Und jeder Lebensmittelhändler gibt seine eigene Losung aus. Viele bestehen darauf, dass ihr Fleisch von kastrierten Schweinen stammt und deshalb nicht stinken kann.

Für die Landwirte bedeutet das Wirrwarr an Forderungen aus der Verarbeitung und dem Verbrauch, dass sie in der Regel auf Nummer sicher gehen und das Schwein kastrieren. Denn Impfungen gegen den Ebergeruch sind möglich, aber in ihrer Wirksamkeit umstritten. Da die Narkotisierung der Ferkel teuer ist, hat man bisher wenig Wirbel um den kleinen Eingriff gemacht und das Geschlechtsteil wenige Tage nach der Geburt einfach abgeschnitten – ohne Spritze und ohne Tierarzt. Zu Recht haben Tierschützer dagegen protestiert, denn die Operation verursacht Schmerzen und das ist schließlich nicht mit den Bestimmungen zum Tierwohl vereinbar. Der Bundestag hat daraufhin 2013 eine entsprechende Änderung des Tierschutzgesetzes beschlossen, mit einer Übergangsfrist bis Ende 2018.

Die Landwirte fordern jetzt, dass ihnen Aufschub gewährt wird. Denn eine echte Alternative gebe es nicht. Man wolle ja impfen, man wolle ja unter Betäubung kastrieren. Aber für die Impfung fehle die Akzeptanz auf dem Markt und für die Lokalanästhesie nach dänischem Vorbild der Rechtsrahmen. Und die Vollnarkose sei schlicht zu teuer. Agrarministerin Barbara Otte-Kinast sieht deshalb alle Gründe für einen Aufschub gegeben. Denn würde die Kastration der Ferkel teurer, würden bereits kastrierte Ferkel aus dem Ausland eingekauft und die Ferkelzüchter in Deutschland hätten das Nachsehen.

Das ist zwar eine nachvollziehbare Argumentation. Aber sie reicht nicht als Begründung für den Aufschub. Denn mal ehrlich: Fünf Jahre sind lang genug, um Alternativen wie die Impfung wissenschaftlich zu testen, einheitliche Standards beim Verkauf von Schweinefleisch zu erlassen und das Tierschutz- und Arzneimittelrecht so zu verändern, dass eine Lokalanästhesie unter Tierwohlgesichtspunkten möglich ist. Kurzum: Die Politik hat zwar ein lobenswertes Gesetz erlassen, aber bei der Umsetzung geschlafen. Die Quittung bekommen nun die Landwirte. Das klingt ungerecht, doch auch sie hatten Zeit, sich auf die Änderung vorzubereiten. Sie hätten längst viel stärkeren Druck auf die Politik ausüben können und müssen. Leider wird das erst geschehen, wenn die Frist abgelaufen ist. Und quasi die „Strafzinsen“ bezahlt werden müssen.

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