Auf zu den Windrädern, ihr Bürgermeister!
Die parlamentarischen Beratungen neigen sich dem Ende, morgen diskutiert der Innenausschuss noch einmal über das neue Kommunalverfassungsgesetz. Bald kommt dann die Schlussrunde im Parlament. Einige wichtige Änderungen des bisherigen Regelwerks gibt es, eine der wesentlichsten ist auf Wunsch der Grünen ins Gesetz gekommen: Gemeinden können sich künftig auch an Windkraftanlagen beteiligen – und zwar selbst dann, wenn diese nicht auf ihrem eigenen Gemeindegebiet stehen. Dieser Schritt soll den regenerativen Energien einen weiteren kräftigen Anschub geben. Diejenigen, die sich das ausgedacht haben, beruhigen die nicht wenigen Bedenkenträger: Natürlich gebe es einen Schutz davor, dass sich kleine Gemeinden verzocken und übernehmen, wenn sie sich etwa an einem windigen Windkraft-Geschäft beteiligen wollen. Denn die Kommunalaufsicht, die jede geschäftliche Betätigung der Kommunen nach wie vor genehmigen muss, könne ja notfalls einschreiten und ein Projekt verbieten.
Trotzdem bekommt die Kommunalverfassung, wenn der Entwurf im Herbst das Parlament passiert haben wird, eine klare rot-grüne Prägung. Es scheint eine niedersächsische Grundregel zu sein – die jeweils Regierenden drücken der Gemeindeordnung (so hieß die Kommunalverfassung früher) ihren Stempel auf. Die neue Freiheit für Windkraftanlagen ist das eine, darüberhinaus erhalten die Kommunen mehr Freiraum für wirtschaftliche Betätigung. Als Schwarz-Gelb 2010 das Gesetz änderte, wurde ein Riegel vorgeschoben: Eine Kommune kann seither nur Firmen gründen und Betriebe betreiben, wenn der öffentliche Zweck „nicht ebenso gut oder wirtschaftlich durch einen privaten Dritten“ erfüllt werden kann. Sogar eine Sonderbestimmung fügte Schwarz-Gelb noch hinzu, den sogenannten „Drittschutz“: Ein Unternehmer, der bei einer Kommune einen Verstoß gegen diese Regel vermutet, kann gegen die Kommune klagen – und nicht nur, wie es zunächst lautete, Beschwerde bei der Kommunalaufsicht einreichen.
Damit sind nun die Möglichkeiten für die Kommunen derzeit noch begrenzt: Wenn neben einem kommunalen Hallenbad noch eine Sauna und ein Massagestudio eingerichtet werden, wird es mit der Genehmigung schon schwierig – zulässig wäre das nur, wenn diese Bereiche lediglich kleine Anhängsel zum Hallenbad sind. Eine kommunale Friedhofsgärtnerei, die nebenbei noch ihre Dienste als Grünflächenpflegedienst anbietet, ist unzulässig. Das gilt auch für einen kommunalen EDV-Betrieb, der vor Jahren in Südniedersachsen am Markt seine Dienste anbieten wollte – und wieder schließen musste. Bislang gilt: Die Kommune soll zurückstehen, weil sie mit ihrer öffentlichen Finanzierung im Rücken auf einem Markt antritt, der eigentlich den privaten Betrieben vorbehalten sein soll. Die Energie- und Wasserversorgung, der klassische Bereich der Stadtwerke, war von der Beschränkung jedoch schon bisher ausgenommen.
Doch künftig soll nun ein anderer Wind wehen. Wenn der rot-grüne Entwurf beschlossen wird, dürfen Kommunen wieder umfangreicher wirtschaftlich tätig werden. Ein privater Unternehmer, der das verhindern will, müsste beweisen, dass er die Leistung besser und wirtschaftlicher erbringen kann – er wäre also in der Beweispflicht. Auch das Klagerecht für Firmen, der Drittschutz, entfällt künftig. Ist das nun ein Freibrief für expansionswillige Kommunalpolitiker, die am liebsten für jeden Zweck einen kommunalen Eigenbetrieb gründen und die Handwerker im Dorf verdrängen wollen? Wohl kaum, weil eben die Kommunalaufsicht bei den Landkreisen und beim Innenministerium als Kontrollinstanz bleibt. Und dann hängt es von der Strenge oder Großzügigkeit der Aufsichtsbehörden ab, wie groß der Spielraum der Kommunalpolitiker vor Ort tatsächlich wird. Die Befürchtung von Wirtschafts- und Handwerksverbänden, privilegierte kommunale Firmen könnten ihnen das Wasser abgraben, kann damit wohl nur teilweise entkräftet werden.
Die Reform der Kommunalverfassung ändert noch einige andere Bereiche: Bürgerentscheide werden erleichtert, künftig soll die Zustimmung von 20 statt bisher 25 Prozent der Wahlberechtigten reichen, um sie zum Erfolg zu bringen. Für einen Antrag zu einem solchen Entscheid sollen zehn Prozent der Wahlberechtigten (in Gemeinden bis zu 100.000 Einwohner) nötig sein, 7,5 Prozent (bei Kommunen zwischen 100.000 und 200.000 Einwohnern) oder fünf Prozent (in Städten und Kreisen mit mehr als 200.000 Einwohnern). Die Voraussetzung, einen Kostenvorschlag einzureichen, soll für die Initiatoren entfallen. Damit werden die bisherigen Hürden klar abgesenkt.
Die dritte Änderung besagt, dass in allen Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte tätig werden müssen. Dies ist bisher auf die Landkreise und großen Städte beschränkt. Statt derzeit 50 wird es künftig also landesweit 130 hauptamtliche Beauftragte dieser Art geben müssen. (kw)