Darum geht es: Während das Bundesinnenministerium mit ihren Konzepten noch zögert, füllt die Niedersachsen-CDU rasch eine Lücke. Die Landtagsfraktion hat Pläne für mindestens drei sogenannte „Ankerzentren“ vorgelegt, in denen Asylbewerber untergebracht werden sollen. Die SPD sieht diese Überlegungen skeptisch. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum.

Womöglich haben die Grünen mit ihrer Kritik recht, dass es beim Streit um die Flüchtlingspolitik zwischen CDU, CSU und SPD vorrangig um Symbole geht statt um Inhalte. Aber die daran anschließende Frage darf nun erlaubt sein, ob Symbolpolitik von vornherein negativ sein muss. Die Antwort lautet: nein, muss sie nicht. Wenn ein symbolischer politischer Akt dazu führt, eine aufgeregte und aufgewühlte öffentliche Stimmung zu beruhigen, dann kann er sinnvoll sein. Wichtig wäre nur: Der symbolisch wertvolle Schritt darf sich nicht in reiner Symbolik erschöpfen, er sollte wenigstens auch inhaltlich einige Fortschritte bringen, einen Mehrwert haben.

Was heißt das für die Diskussion über die sogenannten „Ankerzentren“? Die Union pocht darauf, dass ankommende Asylbewerber an bestimmten Orten gesammelt werden, ihre Anträge dort geprüft und bearbeitet werden, dass die verschiedenen Behörden und Gerichte vor Ort sind und damit am Ende die Verfahren erheblich beschleunigt werden. In Niedersachsen hat die CDU, angeführt vom früheren Innenminister Uwe Schünemann, dazu ein detailliertes Konzept entwickelt. Bis zu drei Ankerzentren landesweit solle es geben, dort müssten das BAMF als Bundesbehörde die Identitätsfeststellung leisten, angereichert um eine Außenstelle des Verwaltungsgerichts. Daneben solle das Land die Betreuung und Gesundheitsversorgung gewährleisten, es müssten Bildungsangebote geleistet werden – und im dritten Teil soll es um die Weiterleitung erfolgreicher Antragsteller an die Kommunen oder die Rückführung abgelehnter Bewerber in ihre Heimatländer geht. Behörden, die sich um Passersatzpapiere kümmern, sollen auch in der Ankerzentren Außenstelen haben. Dolmetscher, Gerichte, Bildungs- und Betreuungsstätten wären an einem Ort zusammengeführt, außerdem soll eine Behörde „den Hut aufhaben“, also den anderen Einrichtungen notfalls Anweisungen geben dürfen.

Die Vorzüge liegen auf der Hand. Die Asylverfahren dauern oft auch deshalb so lange, weil zwischen Landes- und Bundes- und Kommunalbehörden die Wege sehr lang und verzweigt sind. So werden Asylbewerber, deren Anträge kaum Aussicht auf Erfolg haben, an die Kommunen weitergeleitet – und geraten dort nicht selten aus dem Blickfeld der Behörden. Müssten sie in einem Ankerzentrum bleiben, wo Residenzpflicht besteht, so könnten sie vermutlich nicht so leicht untertauchen. Die Vorstellung von Ankerzentren, in denen alle nötigen Behörden und Gerichte quasi an einem Fleck sind und eng kooperieren können, klingt bestechend gut. Nur: Es gibt auch eine Schattenseite. Jedes Aufnahmelager, in dem mehrere hundert oder gar tausend Menschen leben, birgt die Gefahr von Grüppchenbildung und – gerade unter jungen Männern – auch Kriminalisierung. Außerdem ist pure Größe von Verwaltungen kein Garant für leichtere Verwaltungsabläufe, in der Praxis sind kleine und aktive Einheiten, etwa in den Kommunen, oft effektiver und auch kreativer. Dass also von den Ankerzentren die erhofften positiven Wirkungen ausgehen, ist zunächst ein Wunschtraum. Der gesunde Menschenverstand sagt: Das kann gut klappen. Aber ob es wirklich so ist, müsste erst noch bewiesen werden.

Deshalb darf man in der Debatte den psychologischen Wert nicht vernachlässigen. Es geht eben auch darum, die vielen Kritiker und Skeptiker der Flüchtlingspolitik zu besänftigen. In den vergangenen Wochen haben wir gehäuft Berichte gehört über Asylbewerber und Flüchtlinge, die ohne Bleibeperspektive waren und hier straffällig wurden, auch Menschen umgebracht haben. Diese Nachrichten beunruhigen viele Menschen, und das darf man nicht ausblenden. Zwar dürfen Asylantragsteller nicht interniert werden, doch mit den Ankerzentren geht die Erwartung einher, dass sie sich durchgängig an diesem Ort aufhalten sollen, bis ihr Antrag geklärt ist – und danach im negativen Fall eben zügig gleich von dort wieder abgeschoben werden sollen. In einer aufgewühlten politischen Diskussion, in der einige Kräfte auch ganz gezielt mit der Angst der Menschen Stimmung zu machen versuchen, können solche Regelungen zur Entspannung beitragen.

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