12. Jan. 2016 · 
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Am Rande: Verzockt

(rb) Von dem geschäftlichen Schulterschluss mit der privaten Wirtschaft in Form einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) kann die öffentliche Hand eine spürbare Entlastung ihres Haushalts erwarten. Private Partner finanzieren in den Gemeinden inzwischen Projekte wie Straßen, Schwimmbäder oder Stadt- und Veranstaltungshallen, weil die Kommunen die benötigten Investitionssummen nicht mehr aus eigener Kraft aufbringen können. Der starke Anstieg kommunaler Schulden hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sich auch in Niedersachsen immer mehr Städte, Gemeinden oder Landkreise des ÖPP-Modells bedienen. So werden mit privatem Kapital öffentliche Projekte finanziert und umgesetzt, die sonst gar nicht oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung realisiert würden. Die beteiligten Kommunen müssen allerdings meistens über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte die Kredite an die privaten Geldgeber zurückzahlen – natürlich zuzüglich Zinsen. Der Bund der Steuerzahler Niedersachsen-Bremen hat jetzt aufgedeckt, wie sich eine niedersächsische Kleinstadt mit einem ÖPP-Modell so kräftig verspekuliert hat, dass ihr kaum mehr finanzieller Spielraum für andere öffentliche Aufgaben, Projekte und Investitionen bleibt. In der gut 22 000 Einwohner zählenden Stadt Friesoythe im Norden des Landkreises Cloppenburg gab es ein seit Jahrzehnten von der Kommune betriebenes Freibad, das allerdings ebenso wie das angegliederte kleine Hallenbad in die Jahre gekommen und inzwischen sanierungsbedürftig war. Statt auf die vorhandenen Angebote für eine kostengünstigere Instandsetzung zu setzen, entschied sich die Stadt für den Neubau eines Hallenbades und den Abriss der bisherigen Freizeitanlagen. Dazu schloss die Stadt Friesoythe einen ÖPP-Vertrag mit einem Bauunternehmen aus Bielefeld, das das neue Bad errichten und langfristig für 25 Jahre an die Stadt vermieten sollte. Grund für den Verzicht auf einen Bad-Neubau in Eigenregie und die Vergabe an einen externen Anbieter waren die immens hohen Schulden der Stadt. Sie werden inzwischen mit rund 45 Millionen Euro angegeben; das sind etwas mehr als 2000 Euro pro Einwohner. Schon vor Jahren hatte sich die Stadt Friesoythe dafür entschieden, Investitionen in öffentliche Einrichtungen über eine 100-prozentige Tochtergesellschaft zu finanzieren. Mit diesem Modell konnten städtische Schulden auf eine externe Gesellschaft ausgelagert werden. Betrieben und abgerechnet wird nun das inzwischen fertiggestellte neue Bad durch die „Wirtschaftsbetriebe Stadt Friesoythe GmbH“ (Wibef). Der Bund der Steuerzahler hat das Bauvorhaben kritisch unter die Lupe genommen mit dem Ergebnis, dass das auf den Namen „aquaferrum“ getaufte Spaß- und Wellnessbad bereits ein Jahr nach seiner Eröffnung im Herbst 2014 ein Millionengrab darstellt. So wurden die ursprünglich mit 6,3 Millionen Euro veranschlagten Baukosten deutlich überschritten. Spätere Ergänzungs-Wünsche der Stadt Friesoythe nach einer Saunalandschaft und einem verbesserten Wellnessbereich ließen die Baukosten um 1,2 auf 7,5 Millionen Euro steigen. Am Ende beliefen sich die Baukosten auf stolze 9,7 Millionen Euro (netto). Doch damit war es nicht genug: Nachdem im November 2014 ein neuer Bürgermeister in das Rathaus von Friesoythe eingezogen war, brachte eine Überprüfung des Millionen-Vorhabens an den Tag, dass das „aquaferrum“ die Friesoyther Steuerzahler weit mehr kosten wird als der zunächst in der Finanzplanung veranschlagte Betriebskostenzuschuss von 350 000 Euro pro Jahr. Nun werden Jahr für Jahr bis zu 1,2 Millionen Euro fällig. Nur der aktuell guten Wirtschaftslage sei es zu verdanken, dass Friesoythe durch zusätzliche Steuereinnahmen in die Lage versetzt wurde, diese drastischen Mehrausgaben aufzubringen. Verschärft wird die Lage dadurch, dass im ersten Betriebsjahr nur 40 000 statt der erwarteten 71 500 Badegäste kamen. Die Besucherprognose sei „schöngerechnet“ worden, konstatiert der Bund der Steuerzahler in Hannover und unterstellt der Stadtverwaltung „Misswirtschaft“ und sogar „Täuschungsabsicht“. Die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit seien in Friesoythe mit Füßen getreten worden. Dem Landesvorsitzende des Verbandes, Bernhard Zentgraf, ist „ein Fall wie in Friesoythe, wo wir eine Verdreifachung der Kosten haben“, sonst nicht bekannt. Der für den Bau des Bades verantwortliche Bürgermeister Friesoythes ist dort inzwischen nicht mehr im Amt. Er ist als direkt gewählter Landrat inzwischen in das Cloppenburger Kreishaus umgezogen. stu
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #7.
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