Sonntagsöffnungen: CDU appelliert an Gewerkschaften
Die Lage im niedersächsischen Einzelhandel ist dramatisch. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hat deshalb an die Gewerkschaften appelliert, sich dem Wunsch nach weiteren verkaufsoffenen Sonntagen im Herbst nicht zu verschließen. Der Einzelhandel habe um die Chance gebeten, ein Stück weit ein Signal zu setzen, um ein wenig Umsatz zu machen. „Geben Sie uns die Chance dazu“, sagte Althusmann am Mittwoch im Landtag. Noch nie habe es im Handel eine dermaßen dramatische Situation gegeben. Von den 235.000 Beschäftigten im niedersächsischen Einzelhandel seien fast 90.000 in Kurzarbeit. 5000 Betrieben im Land drohe die Insolvenz, warnte der Wirtschaftsminister.
„Wenn wir es mit ‚Niedersachsen hält zusammen‘ ernst meinen, dann dürfen wir nicht in der schwersten Krise dieses Landes wieder reflexartig in die alten Vor-Corona-Argumentationsmuster zurückfallen, das hilft mit Sicherheit nicht weiter“, sagte Althusmann und spielte dabei auf das Bündnis aus Politik, Gewerkschaften, Kammern, Kommunen und Verbänden an. Zuvor hatte bereits CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer die Gewerkschaften gebeten, in der aktuellen Situation flexibler zu sein. „Geben Sie Ihren Widerstand zumindest zeitweise auf“, sagte Toepffer und verwies auf die Kirchen, die sich auf einen Kompromiss eingelassen hatten. Sie sind mit zusätzlichen Sonntagsöffnungen einverstanden, wenn die Geschäfte erst ab 13 Uhr öffnen.
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Toepffer kritisierte, dass der DGB trotz der Krise wieder alte Kampfstellungen eingenommen habe. „Wir hoffen, dass die Gewerkschaften die Schützengräben wieder verlassen und den Beschäftigten entgegenkommen“, meinte der CDU-Fraktionsvorsitzende. Die CDU stellte sich damit an die Seite der 16 Oberbürgermeister in Niedersachsen, die in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten den Wunsch nach vier weiteren verkaufsoffenen Sonntagen geäußert hatten. Die ohnehin bestehenden Veränderungen des innerstädtischen Einzelhandels würden durch die Corona-Pandemie beschleunigt, warnten die Kommunalpolitiker. Weitere erhebliche Umsatzeinbußen, Schließungen und Insolvenzen einzelner Geschäfte seien die Folge.
Während der hannoversche Oberbürgermeister Belit Onay von den Grünen zu den Unterzeichnern des Briefes gehört, kritisierten die Grünen im Land den Wunsch nach weiteren Öffnungen am Sonntag als „plumpen Versuch“. Der Schutz des Sonntags sei im Grundgesetz verankert, man lasse den „Ausverkauf der Grundrechte unter dem Deckmantel von Corona nicht zu“, sagte der Abgeordnete Detlev Schulz-Hendel. Er könne die Sorgen und Nöte der Städte und des Handels verstehen, zusätzliche Sonntagsöffnungen seien aber keine geeignete Maßnahme. Schließlich fehle es den Bürgern durch die Corona-Krise derzeit an Einnahmen und sie könnten jeden Euro nur einmal ausgeben. Diesem Argument widersprach Althusmann. Die Konsumlaune sei nicht das eigentliche Problem, schließlich sei die Umsätze des Online-Handels um fast 29 Prozent gestiegen. Die Kunden seien in der Corona-Krise aus Sorge verstärkt auf den Einkauf im Internet umgeschwenkt.
Das kann nicht das Vertrauen von Verdi und der größten Fraktion im Hause finden. Wir haben hier ein Problem miteinander.
Vom Koalitionspartner SPD bekam Althusmann nur eingeschränkt Unterstützung. Der Abgeordnete Frank Henning machte darauf aufmerksam, dass der innerstädtische Einzelhandel schon vor der Corona-Krise vor großen Probleme gestanden habe. „Man sieht es auf der Autobahn, die rechte Spur ist zum Warenlager verkommen“, sagte Henning. Er könne den Wunsch der Oberbürgermeister verstehen, mache aber zugleich deutlich, dass eine Änderung des Ladenschlussgesetzes mit der SPD-Fraktion nicht zu machen sei. Für Henning sind regionale Lösungen vor Ort das Gebot der Stunde.
Der Koalitionsabgeordnete kritisierte in der Debatte den Wirtschaftsminister ungewöhnlich scharf. Althusmann habe die Gewerkschaft Verdi ausgerechnet jetzt vor den Kopf gestoßen. Das Wirtschaftsministerium hatte den Manteltarifvertrag zwischen der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) und dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) für repräsentativ erklärt. Die Gewerkschaft Verdi und die SPD hatten von Lohndumping gesprochen. „Das kann nicht das Vertrauen von Verdi und der größten Fraktion im Hause finden. Wir haben hier ein Problem miteinander“, sagte Henning und sprach von einer „krassen Fehlleistung“.
Corona ist kein vom Verfassungsgericht akzeptierter Anlass.
FDP-Fraktionsvize Jörg Bode wies in der Debatte auf die rechtliche Schwierigkeit hin, Gründe für weitere verkaufsoffene Sonntage zu finden. „Corona ist kein vom Verfassungsgericht akzeptierter Anlass“, sagte Bode, wobei Althusmann deutlich machte, dass das Verfassungsgericht nicht von einem „Anlass“, sondern von einem „rechtfertigenden Grund“ spreche. Kurzfristig sieht Bode nur den Weg einer Einigung aller Beteiligten: „Wo kein Kläger, da kein Beklagter“. Bisher hätten vor allem die Gewerkschaften Klagen im Falle von weiteren Sonntagsöffnungen angekündigt. „Damit erweisen sie den eigenen Mitgliedern einen Bärendienst“, mahnte Bode. Der AfD-Abgeordnete Stefan Henze stellte fest, mit dem lokalen Handel sei es schon vor der Corona-Krise schleichend bergab gegangen. Jetzt solle die Landesregierung aber erst einmal in Erwägung ziehen, die Maskenpflicht abzuschaffen. Dann steige auch die Einkaufsfreude wieder.