Alternative für Streithähne
Darum geht es: Die niedersächsische AfD steht kurz vor der Listenaufstellung zur Bundestagswahl zerstrittener denn je da. Ein Kommentar von Klaus Wallbaum:
Das Bild kann verwirrender nicht sein: Wenige Tage vor der Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl wissen die rund 2300 Mitglieder der niedersächsischen AfD nicht, ob die Versammlung am morgigen Sonnabend in Hannover-Misburg nun stattfindet oder nicht. Die Mehrheit des Landesvorstandes, unter ihnen der Vorsitzende Armin Paul Hampel, pocht auf den Termin. Eine Minderheit von drei Landesvorstandsmitgliedern hat das Landesschiedsgericht angerufen und dort erreicht, dass die Einladung am Mittwochabend für ungültig erklärt wurde. Dagegen zieht nun die Mehrheit des Landesvorstandes vor das Bundesschiedsgericht. Ihre Begründung: In diesem Fall sei ja das Landesschiedsgericht gar nicht zuständig gewesen. Denn es gehe ja um eine Aufstellung für die Bundestagswahl, da würden andere Regeln gelten als bei einem normalen Parteitag – also auch andere Ladungsfristen. Auch der Bundeswahlleiter wird eingeschaltet.
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Wer blickt das noch durch? Die Beschreibung erinnert an Szenen eines zerstrittenen Kaninchenzüchtervereins. Die AfD Niedersachsen ist da nun keine Ausnahmeerscheinung, in anderen Landesverbänden, etwa Hessen oder Nordrhein-Westfalen, ist der Clinch zwischen den führenden Figuren noch erbitterter, noch skurriler. Dabei geht es gar nicht um links oder rechts, um Konservative gegen Nationalisten. Es geht nur um Personen und ihre Ziele. Sollte man die Partei vielleicht umbenennen in „AfS“ – „Alternative für Streithähne“? Man mag in den „etablierten“ Parteien das Hauen und Stechen in der AfD belächeln oder sich über ihre fehlende Professionalität lustig machen. Das ist nur begrenzt berechtigt. In CDU und SPD, FDP, Grünen und auch Linken sitzen seit vielen Jahren die gleichen Akteure zusammen, man kennt sich und kann sich gegenseitig einschätzen. Kräfteverhältnisse sind kalkulierbar, und damit niemand irgendwelche Formfragen bei Einladungen und Satzungen auf die Spitze treibt, stimmen sich die wesentlichen Kräfte vorher miteinander ab. CDU und SPD zum Beispiel präsentieren regelmäßig vorher ausgekungelte Personalvorschläge für Landeslisten, über die dann meistens ohne großen Streit abgestimmt wird. Die Zahl der Verlierer wird auf ein Minimum begrenzt. Bei der AfD ist das anders. Mit ihrer Aufwärtsbewegung in den Umfragen wächst die Mitgliederzahl, mit der Mitgliederzahl kommen Begehrlichkeiten für Bundestags- und Landtagsmandate hinzu. Da sitzen viele Leute zusammen, die sich kaum kennen. Außerdem gibt es in der AfD die reale Gefahr der Unterwanderung von rechtsextremen Gruppen, wie es das vorher schon bei den „Republikanern“ oder der „Schill-Partei“ gegeben hatte. Kein Wunder also, dass die Konflikte in dieser Partei mit harten Bandagen ausgefochten werden. Andere Modelle der Streitschlichtung setzen Vertrauen voraus – aber dafür besteht bei der AfD noch keine Basis.
Trotzdem überrascht die scharfe, wenig integrative Art des Vorsitzenden Hampel. Sicher ist er die bekannteste und profilierteste Figur der Landespartei, zugleich polarisiert er ungemein. Die nächsten Wochen werden entscheiden, ob er in dem innerparteilichen Klärungsprozess, der sich gerade hinter diesem Krieg um Satzungen und Schiedsgerichte abspielt, der Gewinner sein wird. Eine Spaltung der AfD Niedersachsen ist am Ende nicht ausgeschlossen – und das ist wohl auch die stille Hoffnung in den Zentralen der etablierten Parteien.