Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) streitet für eine Reform der Grundsteuer – an der Seite seines hessischen Kollegen von der CDU. Im Interview mit dem Rundblick erläutert er, warum.

Rundblick: Herr Schneider, Sie wollen gemeinsam mit Hessen eine Initiative zur Reform der Grundsteuer starten. Möchten Sie den Grundbesitzern in Deutschland stärker in die Tasche greifen?

Schneider: Nein, darum geht es nicht. Durch anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht droht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit. Wir müssen jetzt handeln. Die große Mehrheit der Bundesländer, mit Ausnahme Bayerns und Hamburgs, will die Reform jetzt, und das ist richtig. Wir wollen nicht mehr Geld einnehmen, sondern wir wollen Aufkommensneutralität. Aber wir wollen die Belastung für die Grundstückseigentümer gerechter verteilen.

Rundblick: Worin besteht momentan die Ungerechtigkeit?

Schneider: Die Grundsteuer beruht auf jahrzehntealten Wertverhältnissen. Im Westen wird auf Werte aus dem Jahr 1964, im Osten gar auf Werte aus 1935 abgestellt. Hier sind erhebliche Wertverzerrungen entstanden. Um für die Zukunft jeden verfassungsrechtlichen Zweifel auszuräumen, müssen wir die Grundsteuer zunächst auf ein aktuelles und dann fortzuschreibendes Wertfundament stellen.

Rundblick: Also geht es doch darum, dass einige Grundbesitzer zu wenig zahlen – und künftig tiefer in die Tasche greifen müssen…

Schneider: …und andere zu viel zahlen! Genau darum geht es. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Länger als 50 Jahre sind die Wertveränderungen ausgeblendet worden. Also zahlen zum Beispiel Menschen, die ein Grundstück in einer Lage besitzen, die sich ungünstig entwickelt hat und daher einen geringeren Wert hat, oft das gleiche wie Hauseigentümer, die in hervorragenden Lagen leben und ihr Haus mit hohem Wertgewinn verkaufen könnten. Einige zahlen viel zu viel, andere viel zu wenig, ohne dass es dafür einen nachvollziehbaren Grund gibt. Das wieder gerade zu rücken, ist doch ein vernünftiges politisches Ziel.

Rundblick: Einfach wird die Neubewertung nicht zu machen sein – und das wird doch wohl auch ein riesiger bürokratischer Aufwand, oder?

Schneider: Sicher. 35 Millionen Grundstücke sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe müssen neu bewertet werden. Das Verfahren muss also möglichst einfach ausgestaltet werden, aber gleichwohl gerecht. Pauschalierungen sind nötig, wir brauchen einen guten Kompromiss zwischen Einfachheit und Genauigkeit. Bei unbebauten Grundstücken wird auf die Bodenrichtwerte abgestellt. Bei bebauten Grundstücken werden – typisiert – die Art des Gebäudes und das Baujahr berücksichtigt.

Rundblick: Das heißt also, die Villa wird höher besteuert als das Reihenhaus? Und wird ein Gebäude aus den Achtzigerjahren geringer eingestuft als eines von 2005?

Schneider: Ja. Beim Alter wird mit Wertabschlägen gearbeitet, und mindestens 30 Prozent Restwert verbleiben immer – einfach und trotzdem gerecht.

Rundblick: Die Neubewertung soll nach Ihrem Vorschlag ja erst Anfang 2022 starten. Haben Sie mal geschätzt, wieviel Personal Sie dafür brauchen – oder sollen das die Kommunen machen?

Schneider: Für exakte Berechnungen zum Aufwand ist es noch zu früh. Aber der Ansatz „so einfach wie möglich, aber auch gerecht“ ist dazu genau der richtige. Die meiste Arbeit entsteht bei den Finanzämtern und soll durch moderne Software maschinell erledigt werden.

Rundblick: Wie lange dauert denn die Bewertung?

Schneider: Erst muss das Gesetz zustande kommen. Das ist unser aktueller Antritt im Bundesrat. Dann wird das neue Bewertungssystem professionell aufgebaut, insbesondere auch die Software dafür entwickelt. Danach soll die konkrete Bewertung aller 35 Millionen Einheiten – um die Jahreswende 2022/2023 – beginnen. Sie wird dann einige Jahre in Anspruch nehmen. Wir stellen also die Weichen jetzt für das, was in circa 10 Jahren für die Bürger greifen soll.

Rundblick: Wie wird denn künftig die Grundsteuer in einer Gemeinde konkret entwickelt – und haben die Kommunen überhaupt ein Mitspracherecht?

Schneider: Wenn die neue Bewertung vorliegt, werden die neuen Grundsteuerwerte – wie heute schon – mit der gesetzlich festgelegten Steuermesszahl multipliziert und darauf der gemeindliche Hebesatz angewandt. Daraus ergibt sich im Einzelnen die tatsächlich zu zahlende Grundsteuer. Die Steuermesszahlen und die Hebesätze sind dabei die Stellschrauben, um das Ziel „Aufkommensneutralität“ zu erreichen. Wie hoch die Messzahlen sein müssen, um dieses Ziel zu erreichen, kann erst in einem zweiten Reformschritt berechnet werden. Die bundesweit ermittelten Steuermesszahlen werden nicht in jedem Land eins zu eins passen. Daher schaffen wir eine Öffnungsklausel, die es auch den Ländern erlaubt, eigene Steuermesszahlen festzulegen. Damit erhalten die Länder eine nie dagewesene Freiheit, Einfluss auf die Höhe der Grundsteuer zu nehmen. Und im Anschluss daran gibt es die ganz entscheidenden gemeindlichen Hebesätze, die den Gemeinden eine Steuerung ermöglichen.

 Rundblick: Das ist alles sehr aufwendig – muss das denn überhaupt sein?

 Schneider: Unbedingt! Die aktuelle Lage ist in hohem Maße verdächtig, verfassungswidrig zu sein. Wer die Sache jetzt auf die lange Bank schiebt, gefährdet die kommunalen Haushalte. Das will ich nicht riskieren.