Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) möchte den öffentlichen Druck auf die Fleisch-Branche nutzen, um nun zügig Veränderungen herbeizuführen. „Mir ist das Thema echt ernst. Corona hat wie ein Brennglas gezeigt, was wir ändern können und ändern wollen“, sagte sie gestern im Agrarausschuss des Landtags. Dort berichtete die Ministerin über den Fortgang des sogenannten „Fleischgipfels“ und die nun folgenden Schritte. Dabei musste sie auf Nachfrage der Grünen-Agrarpolitikerin Miriam Staudte einräumen, dass bei dem Branchengespräch entgegen der öffentlichen Wahrnehmung noch keine Beschlüsse gefasst worden sind. Sowohl das Perspektivenpapier als auch der 10-Punkte-Plan seien eher Protokolle und noch keine Entscheidungen. Bei dem Krisengespräch nach dem Corona-Ausbruch in einem großen Zerlegebetrieb der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sei es vielmehr zunächst um die aktuelle Lage rund um den Corona-Ausbruch, das Problem der Dumpingpreise sowie um den Stall der Zukunft gegangen.


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„Sie wissen, dass es einen Beschluss nicht von heute auf morgen gibt“, erklärte Otte-Kinast. Es sei „verdammt schwer, alle Häuser und Beschlüsse in Gang zu bringen“. Als nächstes werde es deshalb am 16. Juli in Niedersachsen ein Treffen zwischen ihrem Agrar-Ressort, dem Umwelt- und Bauministerium von Olaf Lies (SPD) und dem Gesundheitsministerium von Carola Reimann (SPD) geben, um die nächsten Schritte auf Landesebene zu planen. „Natürlich möchte ich hinterher einen Beschluss haben“, sagte Otte-Kinast. Es brauche dann eine „Marschroute“, die vorgebe, welche Erlasse und Gesetze in den kommenden Wochen und Monaten auf den Weg gebracht werden müssten. Dabei drückt die Agrarministerin nach eigenen Angaben aufs Tempo. „In einem halben oder Dreivierteljahr haben wir was anderes im Fokus. Das will ich nicht“, erklärte sie gegenüber den Abgeordneten. Deshalb gebe es nun wöchentliche Treffen oder Telefonkonferenzen mit den Teilnehmern des Branchengesprächs, bei dem über aktuelle Entwicklungen und erste Erfolge berichtet werden soll. „Ich will die Branche auch in die Pflicht nehmen.“ In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ erklärte Otte-Kinast, dass sie sich für die Zukunft in jedem Landkreis mindestens einen Schlachtbetrieb wünsche. So könnten die Wege in der Fleischindustrie verkürzt werden.

Man wird nicht an einem Verbot der Werksverträge in der Branche vorbeikommen.

Otte-Kinast begrüßte, dass nun auf Bundesebene geprüft wird, wie in Zukunft Werkverträge in der Fleischbranche verboten werden können. Noch ist unklar, ob der politische Wille hier nicht dem Grundgesetz widerspricht, wenn sich das Verbot nur auf eine spezielle Branche bezieht. Im Agrarausschuss erklärte Otte-Kinast, sie glaube, freiwillige Vereinbarungen seien für den Anfang gut. „Man wird aber nicht an einem Verbot der Werksverträge in der Branche vorbeikommen.“ Zum einen erzeugten Werkverträge eine Wettbewerbsverzerrung, wenn manche Betriebe mit Subunternehmern von Subunternehmern die Preise immer weiter drückten. Zum anderen sei man es den Arbeitskräften, die häufig aus dem Ausland kämen, auch schuldig, ihnen menschenwürdige Verhältnisse zu bieten. „Ich habe das Gefühl, der Osten Europas hält diesen ganzen Laden hier am Laufen.“

Ich habe das Gefühl, der Osten Europas hält diesen ganzen Laden hier am Laufen.

Herman Grupe, Agrarpolitiker der FDP, fragte allerdings, ob es nicht zu kurz gesprungen sei, einfach nur die Werkverträge zu verbieten. Der Mensch sei schließlich kreativ und finde andere Wege, den Preis zu drücken. Im Zweifel drohe auch eine Abwanderung der großen Zerlegebetriebe nach Polen oder China. Darauf erwiderte die Agrarministerin, dass auch beschrieben werden müsse, welche Erwartungen man künftig an die Arbeitsplatzbedingungen habe und zum Beispiel digitale Zeiterfassung als weiteres Kontrollinstrument eingeführt werden könnte. Über die Abwanderung von Großbetrieben scheint die Ministerin jedoch weniger besorgt. „Tut es uns noch weh, wenn dieser Betrieb nach Bulgarien oder Rumänien abwandert, wenn er ohnehin zu 80 Prozent Werkarbeiter aus diesen Regionen hat?“

Wenn wir vor Ort keine Menschen finden, die diese Arbeit machen wollen, müssen wir alles dafür tun, dass diese Menschen dann hier menschenwürdig leben können.

Sie fordert daher, man müsse eine ehrliche Debatte führen: „Wenn wir vor Ort keine Menschen finden, die diese Arbeit machen wollen, müssen wir alles dafür tun, dass diese Menschen dann hier menschenwürdig leben können.“ Die AfD-Fraktionsvorsitzende Dana Guth mahnte dabei allerdings an, es müsse auch eine offene Diskussion darüber geben, dass Anwohner vor der Ansiedlung von Werkvertragsarbeitern aus Osteuropa Bedenken hätten. Es gehe auch um Integration, Spracherwerb und Gepflogenheiten. Die Agrarministerin erinnerte daran, dass es auch Vorzeigebetriebe gebe, die sich um all diese Dinge schon kümmerten. Da gebe es eine Zusammenarbeit mit Ethikräten und es würden Sprach- und Integrationskurse angeboten. Die Fleischbranche liefere gerade auch viele gute Beispiele. Es fehle vielerorts jedoch noch an Verständnis untereinander. Vielleicht sei es eine Aufgabe im Landesinteresse, die gute Beispiele bekanntzumachen und Einwohnerschaft und Betriebe zusammenzubringen. Für Otte-Kinast könnte das auch eine Aufgabe sein, die künftig sie und ihr Ministerium gemeinsam mit den Abgeordneten vor Ort in Angriff nehmen könnte.