Im niedersächsischen Handwerk wird die Sorge bei den Unternehmen immer größer, genügend Fachkräfte zu finden. Das geht aus einer Blitzumfrage des Niedersächsischen Handwerkstages (NHT) hervor. Inzwischen melden knapp 60 Prozent der Betriebe, dass sie die angebotenen Ausbildungsplätze nicht vollständig besetzen konnten. Eine deutlicher Anstieg zum Vorjahr: in der letzten Umfrage waren es noch 40 Prozent.

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Zugleich beobachten vier von fünf Unternehmen einen Rückgang bei der Bewerberzahlen. Der Fachkräftemangel führt derweil zu einem deutlich schärferen Wettbewerb um Mitarbeiter. „Früher haben Headhunter Führungskräfte abgeworben, inzwischen treten sie bei mir im Unternehmen auch an Abteilungsleiter heran und bieten alternative Jobs mit mehr Gehalt“, berichtet Mike Schneider, NHT-Präsident und Geschäftsführer eines Gebäudedienstleisters in Hannover. „Die Headhunter sind inzwischen sehr aggressiv unterwegs, das ist natürlich äußerst unschön“, meint auch Hildegard Sander, Hauptgeschäftsführerin der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen.

Der Mangel an Fachkräften wird auch anhand der Ausbildungszahlen deutlich. Zwar gab es im Jahr 2017 rund 16.600 neuen Ausbildungsverträgen ein leichtes Plus von 1,2 Prozent. „Es ist gut, dass wir Zahl halten können. Langfristig ist das aber zu wenig“, meint Sander. So seien im Jahr 2000 bei einer vollkommen anderen konjunkturellen Lage noch 22.500 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Jetzt könnte das Handwerk Sander zufolge noch viel mehr Auszubildende gebrauchen.

Der Niedersächsische Handwerkstag fordert deshalb eine neue Gewichtung bei der beruflichen Bildung. Es müsse eine umfassende Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen geben und in die Lehrerausbildung müsse ein Fach Berufsorientierung fest integriert werden. Außerdem beklagt Schneider eine „desolate Unterrichtsversorgung an den Berufsschulen“. Das Land sei in der Pflicht, auch dort für eine ausreichende Lehrer- und Unterrichtsversorgung zu sorgen. „Im Sinne von Gleichwertigkeit und Chancengleichheit sollten keine Unterschiede in der Lehrerversorgung der verschiedenen Schulformen gemacht werden“, forderte Schneider.


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Trotz der Fachkräftesorgen präsentiert sich das Handwerk in Niedersachsen aufgrund der Konjunktur in hervorragender Laune. Der NHT-Umfrage zufolge bewerten 95 Prozent der Unternehmen die Geschäftslage als gut oder befriedigend. Konjunkturexperten rechnen für dieses Jahr mit einem Umsatzplus von 2,5 Prozent auf dann 55 Milliarden Euro. „Wir haben kein Auftragsproblem. Die Konjunkturlokomotive im Handwerk bleibt unter Dampf“, prognostiziert Schneider. Neben dem Fachkräftemangel sehen die Unternehmen vor allem die Bürokratie nach wie vor als große Herausforderung. Schneider zufolge fühlen sich die Unternehmen drangsaliert und litten unter den bürokratischen Belastungen im Alltag.