Immer mehr Verwaltungsarbeit ist ein wesentlicher Grund, warum Niedersachsens Polizisten immer weniger Zeit für den polizeilichen Dienst haben. Vor allem das Vorgangsbearbeitungssystem „Nivadis“ raubt den Beamten stetig mehr Zeit, da seit Jahren immer mehr Daten eingepflegt werden müssen. Das hat auch die Polizeiführung erkannt und bei der Zentralen Polizeidirektion (ZPD) das Projekt „VBS Review“ gestartet. Der Auftrag: Das ganze System soll durchleuchtet und alles Überflüssige weggestrichen werden. Mittlerweile läuft die Projektgruppe auf der Zielgeraden, die letzten Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorgestellt werden. Und schon ab dem 6. November sollen mit der Neuauflage von „Nivadis“ die ersten Änderungen den Arbeitsalltag der Polizisten erleichtern. Die wichtigste Neuerung ist eine Schnittstelle zum Kraftfahrzeugbundesamt. Künftig genügt es, wenn der Beamte das Autokennzeichen zur Hand hat, alle anderen Daten rund um das Auto und seinen Halter fließen dann automatisch in „Nivadis“ ein. Doch auch Mut zur Lücke bei den Eingabemasken sollen es den Polizisten ermöglichen, den Schreibtisch schneller wieder verlassen zu können.

Die Projektgruppe um den „VBS Review“-Geschäftsführer Lennart Guttmann hatte die Aufgabe in vier Themenfelder unterteilt. „Im ersten Schritt ging es darum zu schauen, welche Daten muss der Polizist überhaupt eingeben, wenn er einen Vorgang wie einen Diebstahl erfasst, und was davon ist eigentlich nicht nötig“, sagt Guttmann. Denn über die Jahre seien immer wieder Eingabefelder dazugekommen, weil Behörde, Politik und Medien diese oder jene Info gefordert hatten. Für den Einsatz- und Streifendienst bedeutete das, immer mehr Details händisch eingeben zu müssen, ohne zu wissen, was mit den Daten passiert. „Da hat sich über die Jahre eine Unwucht eingestellt. Die Polizisten, die eigentlich auf der Straße sein müssten, sammeln die Daten. Die Ermittler und die Analysten führen sie zusammen, deuten die Ergebnisse und bekommen dafür das Lob. Das hat verständlicherweise für Frust gesorgt“, sagt Guttmann. Rund 1,9 Millionen Vorgänge erfasst die Polizei Niedersachsen jedes Jahr, die Straftaten reichen von der Beleidigung bis zum Mord.


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Das Informationsbedürfnis spiegelt sich auch im zweiten Themenfeld wieder, der Katalogauswahl für die Eingaben. Mehrere hundert Schlagwortkataloge sind in „Nivadis“ hinterlegt, um die erfassten Fälle möglichst genau beschreiben zu können. Ist der Einbrecher mit dem Schraubenzieher oder dem Schraubendreher in das Haus eingebrochen? Hat der Dieb ein Deo oder ein Duschgel gestohlen? „In einigen dieser Kataloge haben wir regelrecht ,Tabula rasa‘ gemacht“, sagt Marco Trumtrar, der bei der ZPD verantwortlich ist für „Nivadis“. So gebe es statt Deo und Duschgel nur noch die Auswahl „Hygieneartikel“. „Wir haben überlegt, ob uns die genaue Unterscheidung bei der polizeilichen Arbeit weiterbringt. Wenn nicht, dann nehmen wir die Ungenauigkeit in Kauf“, sagt Trumtrar. Beim Einbruchswerkzeug dagegen ist die Differenzierung nach wie vor Pflicht. „Es macht einen Unterschied, ob jemand das Fenster mit einem Schraubendreher oder einem Schraubenzieher aufgehebelt hat.“

Den Ablauf der Fälle von der Aufnahme bis zur Auswertung und die unterschiedlichen Rollen darin hat sich die Projektgruppe in den beiden verbleibenden Themenfeldern angesehen. „Hier ging es darum, Tätigkeiten effizienter zu machen, indem man sie teilweise automatisiert“, sagt Guttmann. Etwa durch die neue Schnittstelle mit dem Kraftfahrzeugbundesamt oder künftig mit dem Melderegisterdatenspiegel. Aber auch die neu gestalteten Eingabemasken für Massendelikte wie Diebstahl und Körperverletzung ohne Waffen nehmen den Polizisten Arbeit ab. „Die sind teilweise schon vorausgefüllt, sodass man sich nicht lange durch komplizierte Strukturen klicken muss“, sagt Trumtrar. Dazu sei man dazu übergegangen, die Beamten Häkchen in „Ja/Nein“-Felder setzen zu lassen anstatt Eintragungen zu verlangen. Dadurch ordnet das System im Hintergrund jeder Information den passenden Zahlenschlüssel für die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zu, ohne dass der Polizist die Kombination selbst eintragen muss. „Denn von den für die PKS relevanten Informationen können wir nichts streichen, das ist bundesweit einheitlich“, sagt Trumtrar.