Die rot-grüne Regierung ist in diesen Tagen genau 100 Tage im Amt, nämlich am Donnerstag, 16. Februar. Auf diesen Zeitraum fällt auch ein Amtsjubiläum der besonderen Art: Stephan Weil ist am 19. Februar zehn Jahre Ministerpräsident, Olaf Lies ist zehn Jahre niedersächsischer Minister, Jörg Mielke ist zehn Jahre Chef der Staatskanzlei in Hannover. Beide Perioden, 100 Tage und 10 Jahre, geben Anlass für erste Bilanzen.

Die rot-grüne Landesregierung feiert in diesen Tagen genau 100 Tage im Amt. | Archivfoto: Link

Das fällt in diesem Jahr allerdings mit Blick auf die neuen Minister der Landesregierung schwer – und das nicht nur, weil die Weihnachtszeit zwischen Amtsantritt und heute lag, und auch nicht nur, weil Daniela Behrens erst Ende Januar ein neues Amt übernahm und Andreas Philippi als Nachzügler die Regierung verstärkte. Es schleicht sich das Gefühl ein, dass nach dem Nachtragshaushaltsplan, der eilig schon Ende November durch den Landtag gebracht wurde und die Basis für Energiepreishilfen schuf, eine Ruhephase in die Landespolitik eingetreten ist. Für viele ehrgeizige rot-grüne Vorhaben liegen noch keine konkreten Pläne vor.

Beim Blick in den Landtag fällt auf, wie schwer es vielen der neugewählten Abgeordneten offensichtlich fällt, sich in ihre Rolle einzugewöhnen – die eben anders ist als die Verbreitung politischer Parolen. Und es fällt auf, dass viele rot-grüne Politiker in Ausschusssitzungen immer wieder ihren Koalitionsvertrag anpreisen und bei jeder aufkeimenden Kritik reflexhaft auf den früheren Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) schimpfen, der mit seiner Sparsamkeit bis zur Landtagswahl nötige Neuerungen blockiert habe. Das Niveau der inhaltlichen Auseinandersetzungen lässt sehr zu wünschen übrig. Und die Opposition hat auch noch keinen Weg gefunden, die Regierung mit klugen Nachfragen und Initiativen in Verlegenheit zu bringen.


Für eine wirkliche erste Bilanz der Arbeit der neuen Landesregierung ist es zu früh, dazu ist bisher seit der Wahl zu wenig passiert. Trotzdem wagen wir einige vorsichtige Einschätzungen:

Stephan Weil kann es sich anrechnen, als SPD-Landesvorsitzender in den 100 Tagen von Rot-Grün seinen bundesweiten Einfluss verstärkt zu haben. Mit dem Einzug von Boris Pistorius in die Bundesregierung sind die niedersächsischen Sozialdemokraten in Berlin äußerst stark vertreten. Weil hat gegenwärtig das politische Feld gut geordnet.


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Olaf Lies ist als Wirtschaftsminister ganz in seinem Element. Beeindruckend ist seine Leistung, Kritiker einzubinden und somit Konfrontationen aufzulösen. Jüngst hat er das wieder vorgeführt bei der Planung des Südschnellweg-Neubaus in Hannover.

Julia Hamburg musste als Kultusministerin in der ersten Phase gleich mehrere trübe Botschaften verkünden – die schlechte Unterrichtsversorgung sinkt noch einmal, die Lehrer-Mindestbesoldung bei A13 dauert womöglich länger bis zur vollen Umsetzung, und Tablets für alle Kinder gibt es wohl auch noch nicht sofort. 

Gerald Heere wird für seine höfliche, zugewandte Art gelobt. Auf ihn können, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern, schwierige Zeiten zukommen – da kommt es neben Verbindlichkeit dann auch auf Härte an. Das Mammut-Projekt der Ausgliederung von Investitionen aus dem Landeshaushalt nimmt noch keine klaren Formen an. Die Umsetzung dürfte juristisch extrem schwierig werden.

Miriam Staudte versucht als neue Agrarministerin, den Brückenschlag zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Verbraucherschutz zu organisieren. Sie lehnt sich in der ersten Zeit noch stark an Umweltminister Christian Meyer an, beide ziehen vieles gemeinsam durch.


Einfach auf das Bild klicken und den Podcast mit den beiden Rundblick-Redakteuren Klaus Wallbaum und Niklas Kleinwächter anhören. Von dort aus gelangen Sie bei Bedarf auch auf die Podcast-Plattform Ihres Vertrauens. | Foto: Nds. StK/Rainer Jensen

Christian Meyer versteht sich in erster Linie als Energieminister. Er geht auch Konflikte ein, etwa mit dem Plan, den Landkreisen spezifische Auflagen für die Ausweisung von Windkraft-Vorranggebieten aufzuerlegen. Dabei legt er durchaus schon Tempo vor.

Daniela Behrens steht unter der enormen Erwartung vor allem der Kommunalverbände, dass die Gespräche zwischen der Innenministerin und ihnen intensiver und partnerschaftlicher werden. Die Polizeiverbände hoffen, dass die Kontakte zum Ministerium so gut bleiben wie unter Pistorius. 

Andreas Philippi kennt sich in den Details der Gesundheitspolitik aus, das erleichtert ihm die Reform der Krankenhauslandschaft. Er kann beim Aufschrei der Verbände schneller als andere erkennen, ob Wehklagen und Proteste berechtigt sind – oder nur von Lobbyverbänden aufgebauscht wurden. In anderen Bereichen seines Ressorts, etwa dem Arbeitsmarkt, bewegt sich der neue Minister auf fremden Terrain.



Kathrin Wahlmann hat als Justizministerin mit kurzen und präzisen Ansagen einen guten Eindruck hinterlassen. Sie gilt als kommunikativ, fachkundig und zugänglich. Keinen Zweifel lässt sie an der Notwendigkeit, das Recht auch durchzusetzen. Dafür wagt sie auch – Beispiel Cannabis – den Konflikt mit dem Koalitionspartner und den Linken in der eigenen Partei.

Falko Mohrs hat zwei Großbaustellen der Uni-Medizin in Hannover und Göttingen zu lösen. Er will den Hochschulen mehr Autonomie geben – und lebt vom glücklichen Umstand, dass der Porsche-Börsengang VW neue Einnahmen verschafft, die wiederum der Volkswagenstiftung zugutekommen und in der Folge Mohrs‘ Etat der Forschungsförderung anheben. Der Wissenschaftsminister gilt als fleißig und kommunikativ.

Wiebke Osigus hat als Ministerin für Regionales, Bundes- und Europaangelegenheiten gleich in den ersten Wochen beim Personal ein Zeichen gesetzt – indem sie etwa die beiden von der CDU benannten Landesbeauftragten für Regionalentwicklung kurzerhand abgelöst und durch zwei neue von SPD und Grünen ersetzt hat. Ansonsten blieb sie eher unauffällig, was auch daran liegen kann, dass sie ein kleines Haus führt.