Führt die Corona-Krise in der Folge zu einem weiteren Niedergang der Innenstädte, mit abgeklebten Fenstern ehemaliger Geschäfte und menschenleeren Fußgängerzonen? Nein, meint der Zukunftsforscher und Buchautor Daniel Dettling. „Die Bürger werden sich die Innenstädte zurückerobern“, sagte Dettling am Donnerstag bei einer Veranstaltung des Verbands der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen (VDW) und sprach von neuen sozialen Begegnungsstätten. Dabei sei auch nicht ausgeschlossen, leerstehende Kaufhäuser für neue Wohnungen zu nutzen. Eine Idee, die auch VDW-Direktorin Susanne Schmitt nicht abwegig fand. Es gebe viel Leerstand und viel Entwicklungspotenzial. Die Innenstädte würden durch mehr Wohnraum auch wieder lebendiger werden. Dettling ist davon überzeugt, dass sich in diesem Zusammenhang auch die autofreien Innenstädte durchsetzen werden. „Die Glücksforschung zeigt, dass Städte, die mehr auf Radfahrer und Fußgänger setzen, glücklichere Bewohner haben.“ Der Zukunftsforscher rechnet auch damit, dass die Spaltung zwischen Stadt und Land deutlich abnehmen wird. „Die Städte werden dörflicher und grüner, die Dörfer wiederum urbaner“, sagte Dettling und sprach in einer neuen Wortschöpfung von „glokalen Räumen“. 

      Die Corona-Krise habe dazu geführt dass sich Trends deutlich verstärkt hätten. Geht es nach dem Forscher, werden sich manche Räder dabei nicht mehr zurückdrehen lassen. Beispiel Homeoffice: Die Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten werde sich stärker auflösen. „Vor der Pandemie war Homeoffice ein Minderheitenphänomen, das nicht akzeptiert wurde. Heute ist das anders, auch viele Arbeitgeber wollen das beibehalten“, erklärte Dettling, der dadurch ebenfalls eine Stärkung des ländlichen Raums sieht. In den USA würde bereits beobachtet, dass die Bedeutung des Umlands durch diese Entwicklung zunimmt – arbeiten kann man schließlich auch von dort. Damit gingen auch Preissteigerungen bei den Immobilien in der Peripherie einher. Generell ist es für Dettling verständlich, dass die Menschen in einer Pandemie die Zukunftsangst besonders umtreibe. Er sah aber allen Grund zum Optimismus. Der „Spanischen Grippe“ seien vor gut hundert Jahren auch zehn Jahre des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruchs gefolgt, der mit einem großen gesellschaftlichen Zukunftsoptimismus einhergegangen sei. „Wir können auch heute zuversichtlich sein“, meinte er.

    Die wirtschaftlichen Kennzahlen geben allerdings Anlass zur Sorge. VDW-Direktorin Susanne Schmitt befürchtet, dass die schwierige wirtschaftliche Lage durch die Pandemie sich in diesem Jahr auch auf Mieter und Wohnungswirtschaft auswirken wird. Derzeit lägen die Mietausfallquoten zwar noch bei rund zwei Prozent, man wisse aber noch nicht, wie es weitergeht, schließlich drohten „eine steigende Kurzarbeit, eine höhere Arbeitslosenquote und eine Welle von Insolvenzen“. „Wir müssen mit einer steigenden Anzahl von Menschen rechnen, die die Miete nicht wie bisher bezahlen können und auf sozialen Wohnraum angewiesen sind“, erklärte Schmitt. Gerade beim sozialen Wohnungsbau hängt das Land aber hinter den eigenen Plänen hinterher. Bauminister Olaf Lies sagte, man habe sich ein großes Ziel gesetzt, wolle 3000 Wohnungen  im Jahr bauen. „Da liegt noch eine ganze Menge Arbeit vor uns, wir müssen aufholen“, sagte Lies.

    Die Pandemie hat zugleich zu einer größeren Bedeutung der eigenen Wohnung geführt. Das Zuhause habe in der Krise noch einen höheren Stellenwert bekommen, erklärte Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay. „Die Wohnung ist Aufenthaltsort für die ganze Familie, und sie ist ein Arbeitsort geworden.“ Susanne Schmitt sagte, viele Menschen hätten im positiven Sinne wieder gelernt, dass die Wohnung ein Ort der Sicherheit und des Rückzugs sein kann. Es gebe aber auch negative Erfahrungen: Die Wohnung sei teilweise auch ein Ort der Vereinsamung, zum Beispiel in der Zeit der Quarantäne.