
Die Fraktionen von SPD und Grünen haben sich verständigt auf eine Reform des Zuschnitts der Landtagswahlkreise. Damit folgen sie einer Auflage, die der Staatsgerichtshof in seiner Entscheidung im Dezember 2024 festgelegt hat. Allerdings hatten die Richter damals geraten, dass man ja die Zahl der Landtagswahlkreise auch verringern könnte – von jetzt 87 beispielsweise auf 80. Die Einigung der Koalitionsparteien, die unter Ausschluss von CDU und AfD geschah, sieht nun aber das Gegenteil vor: Die Zahl der Wahlkreise soll von derzeit 87 auf 90 erhöht werden. Das hört sich nicht so an, als ob damit eine erhebliche Vergrößerung des Parlaments verbunden sein könnte. Das System von Überhang- und Ausgleichsmandaten, das für die Landtagswahl verbindlich ist, hätte aber genau diesen Effekt. Es droht mit der geplanten Neuregelung bei ungünstigen Umständen allerdings schon eine Aufblähung des Parlaments. Nun hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) an die Landtagsmehrheit appelliert: „Mit Blick auf die allgemeine Finanzlage verbietet es sich, eine Reform anzuschieben, die höchstwahrscheinlich zu einer Ausweitung der Anzahl der Abgeordneten führen würde.“
Der Sögeler Hermann Gerdes, der mit seinem Wahleinspruch die Staatsgerichtshof-Entscheidung bewirkt hat, geht von folgender Beispielrechnung aus: Die gesetzliche Zahl der Landtagsabgeordneten beträgt 135, derzeit gibt es 87 Wahlkreise und wegen der Überhang- und Ausgleichsregeln unterm Strich 146 Abgeordnete. Nach dem niedersächsischen Recht hat jeder Wahlkreis-Sieger seinen Platz sicher. Damit sich aber das Verhältnis der Zweitstimmen in der Sitzverteilung weitgehend widerspiegelt, gibt es Ausgleichsmandate. Diese kommen den anderen Fraktionen zugute, wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewonnen hat, als ihr nach dem Verhältnis der Zweitstimmen zustehen. Nun könnte man laut Gerdes nach den aktuellen Umfragen annehmen, dass die CDU bei der Landtagswahl 2027 einen Zweitstimmenanteil von 30 Prozent bekäme, die SPD von 25 Prozent, die AfD von 16 Prozent, die Grünen von 10 Prozent und Linke und FDP von jeweils 5 Prozent. Unterstellt, gleichzeitig würde die SPD das Gros der Wahlkreise gewinnen, nämlich 60 von 90, dann würde das Parlament mehr als 180 Sitze bekommen – wegen der vielen notwendigen Ausgleichsmandate. So ungewöhnlich wäre das nicht, da anzunehmen ist, dass die Wahlkreise vorwiegend an SPD und CDU fallen werden. Die SPD selbst hatte sich in ihrem Konzept, das sich aber am Wahlergebnis von 2022 orientiert, einen Erfolg in 60 der 90 Wahlkreise zugerechnet.
Das BdSt-Vorstandsmitglied Jan Vermöhlen rät den Landtagsfraktionen nun dringend, anstelle einer Ausweitung der Wahlkreis-Anzahl auf eine Verkleinerung des Parlaments zu zielen. Dies könne auch erreicht werden, indem man weniger Wahlkreise vorsieht. So war es schon bei der Reform 2006 geschehen. Jedes Mandat, rechnet der BdSt vor, koste den Steuerzahler im Jahr rund 307.000 Euro. Darin sind Diäten und Aufwandsentschädigungen enthalten. Wenn der Landtag sich von derzeit 146 Mandate auf 180 vergrößern würde, hätte das nach dieser Berechnung jährliche Mehrkosten von 10,4 Millionen Euro zur Folge, in der fünfjährigen Wahlperiode wären das dann 52 Millionen Euro.
Spannend ist nun die Frage, wie es mit der Wahlkreisreform weitergeht. SPD und Grüne können ihren Vorschlag als "Fraktionsgesetz" in den Landtag einbringen - und das auch mit ihrer Mehrheit am Ende im Parlament beschließen. Das sollte bis Mai geschehen sein, da kurz danach schon die ersten Kandidatenaufstellungen für die Landtagswahl 2027 beginnen können. Die CDU hat schon erklärt, dass sie den Entwurf ablehnt und beim Zuschnitt der Wahlkreise auch parteipolitische Motive vermutet. So soll ein Wahlkreis in der Grafschaft Bentheim beschlossen werden, der Bentheim, Nordhorn und Schüttorf umfasst und vom Zuschnitt her als "SPD-lastig" eingeschätzt werden könne.


