Nach den Pannen rund um die polizeilichen Ermittlungen gegen die mutmaßliche Salafistin Safia S. will Landespolizeipräsident Uwe Binias die Abläufe in den Behörden nicht neu ordnen. „Wir sind nicht davor gefeit, dass Fehler passieren. Das geschah aber auf operativer Ebene und ist nicht auf Mängel im System zurückzuführen“, erklärte der oberste Polizeibeamte Niedersachsens am Mittwoch im Untersuchungsausschuss. Er sehe sich auch nicht gefordert, in den Polizeidienststellen grundsätzlich ein Vier-Augen-Prinzip einzuführen, sobald beispielsweise das Bundeskriminalamt Informationen anfordert. Zu Safia S. hatte es eine offenkundige Falschauskunft des Landeskriminalamtes an das BKA gegeben.

Die damals 15-jährige Safia S. wird beschuldigt, Ende Februar ein Messerattentat auf einen Polizisten im hannoverschen Hauptbahnhof verübt zu haben. Einen Monat zuvor war das Mädchen von der Polizei kontrolliert worden, nachdem es von einer Türkei-Reise zurückgekehrt war. Ihr Handy wurde beschlagnahmt, aber nicht vollständig ausgewertet. Auf Nachfragen des BKA forschte das LKA bei der für Safias Überwachung zuständigen Polizeidirektion Hannover nach – und übermittelte dann einen Tag vor dem Messerattentat einen fehlerhaften Bericht an das BKA. Dort wurde Entwarnung zu Safia gegeben, obwohl doch an anderen Stellen in der Polizei schon mehrere Informationen zu ihr vorgelegen hatten. Offenbar wurde der Bericht von einem Beamten verfasst, ohne dass dieser Kollegen oder Vorgesetzte vorher zu Rate gezogen hätte. Binias  erklärte in der Zeugenvernehmung, die Polizei gehe „offen mit Mängeln und Fehlern um“: „Wir halten nichts geheim und versuchen, besser zu werden.“ Er beurteile die Zusammenarbeit von Landeskriminalamt, Polizei und Verfassungsschutz als gut. Ein Problem sei nur, dass die Polizei derzeit wegen vieler Nachfragen des Landtags stark gefordert sei. Eine „Rückkehr zur Normalität“ sei „wünschenswert“.

Im Ausschuss kamen auch weitere Vorwürfe gegen die Polizei zur Sprache. Die Oma von Safia gab am 30. November 2015 einen Hinweis, dass das Mädchen islamistisch radikalisiert sei. Angeblich soll dieser Vorgang in den Polizeiakten danach verschwunden sein. Am 10. Dezember wurden bei Mohammed Hassan K., der nach der hannoverschen Länderspiel-Absage ins Visier der Polizei kam, Chats gefunden. Einige davon waren Kontakte zwischen ihm und Safia S. – doch dies fiel den Ermittlern offenbar weder damals auf noch später, Ende Januar, als Safias  Handy nach ihrer Türkei-Rückkehr von der Polizei ausgewertet wurde. Erst nach Safias Attentat Ende Februar wurden der Polizei diese Zusammenhänge deutlich. CDU und FDP im Ausschuss meinen, dass es die Polizei bei der Überprüfung von Safia S. und Mohammed Hassan K. versäumt hatte, das Umfeld der beiden näher auszuleuchten, um dem Verdacht auf eine Terrorzelle nachzugehen.

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