Eine Szene aus den vergangenen Tagen: Zunächst plädiert Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die sich derzeit auch im hessischen Landtagswahlkampf befindet, für eine Verschärfung des Asylrechts. Die Sozialdemokratin möchte abgelehnte Asylbewerber, die abgeschoben werden sollen, nicht wie bisher maximal zehn Tage in Gewahrsam halten – sondern bis zu 28 Tage. Im nächsten Schritt lobt Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) diesen Vorstoß ihrer Parteifreundin und Amtskollegin auf Bundesebene. Faeser ergreife „mit dem Gesamtpaket die richtigen Maßnahmen“, sagte Behrens der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.

Daraufhin dauert es nur wenige Tage, bis sich die „Grüne Jugend“ in Niedersachsen zu Wort meldet: „Ich bin irritiert und empört, dass Innenministerin Behrens diese Vorstöße begrüßt. Ich erwarte, dass Niedersachsen bei den Plänen von Faeser nicht mitmacht“, sagt die GJ-Landesvorsitzende Pia Scholten. Nötig sei, dass Asylbewerber nicht so lange wie bisher in Sammelunterkünften bleiben müssen und schneller auf die Kommunen verteilt werden können. Dann fügt Scholten noch hinzu: „Ich erwarte von den Grünen, dass sie sich klar gegen diesen Kurs stellen und diesen nicht mittragen.“

Innenministerin Daniela Behrens (SPD) wird von Pia Scholten, der Sprecherin der Grünen Jugend Niedersachsen, kritisiert. | Foto: Struck/GJ

Ist das nun der Beginn eines handfesten Krachs in Niedersachsens rot-grünem Regierungsbündnis? Das sieht eher nicht danach aus. Denn die Meinungsäußerungen der beiden sozialdemokratischen Innenminister auf Bundes- und Landesebene basieren zwar teilweise auf ausgearbeiteten Konzeptionen – aber nicht auf Gesetzentwürfen. Vor allem von der Bundesinnenministerin könnte aber erwartet werden, dass sie ihre Vorschläge mit ernsthaften Bemühungen untermauert und kurzfristig einen Plan in der Ampelkoalition zur Abstimmung stellt.

Würden dann SPD, Grüne und FDP dem in der Bundesregierung zustimmen, hätte Faeser ein legitimiertes Konzept, das Basis einer Gesetzgebung werden könnte. In diesem Moment müssten sich wohl auch die Bundesländer dazu positionieren, auch die rot-grüne Koalition in Niedersachsen. Aber Faeser bekommt die Schlagzeilen für ihren Vorstoß bereits, obwohl sie anscheinend auf den Versuch einer Durchsetzung in der Ampelkoalition verzichtet – wohlwissend, dass sie dort am Widerstand der Grünen und von Teilen ihrer eigenen SPD scheitern dürfte.

Grüne Jugend: Behrens sollte Faesers Kurs „nicht mittragen“

Behrens wiederum äußert sich wohlwollend zu Faesers Position in der Gewissheit, dass es in dieser Frage in der rot-grünen Landesregierung nicht zur Belastungsprobe kommen wird. Denn das wäre erst der Fall, wenn sich Niedersachsen zu einer Linie in dieser Frage durchringen müsste, etwa vor einer Abstimmung im Bundesrat. Davon jedoch ist die Debatte noch sehr weit entfernt.

Damit ist auch die Aufforderung der GJ-Landessprecherin Scholten an ihren eigenen Grünen-Landesverband, dieser solle den von Behrens unterstützten Faeser-Kurs „nicht mittragen“, bei näherer Betrachtung angreifbar: Da auf absehbarer Zeit in der Bundesrepublik keine Asylrechtsreformen im Bundestag anstehen dürften, muss sich auch die Koalition in Hannover auf keine Linie in dieser Frage verständigen. Scholtens Appell klingt damit ernster als er vermutlich gemeint ist.



Nun ist es zwar so, dass auf EU-Ebene einiges in Bewegung ist, seit der Rat sich – mit Zustimmung von Faeser als deutscher Vertreterin – auf schärfere Asylregeln verständigt hat. Dabei geht es auch um Lager außerhalb der EU an den EU-Außengrenzen, in denen sich Asylwillige für die Dauer ihrer Verfahren aufhalten sollen. Diese Pläne haben gerade bei vielen Grünen in Deutschland – auch bei der Landesvorsitzenden Greta Garlichs – heftigen Widerspruch ausgelöst.

Aber die Entscheidung des EU-Rates war nur ein Zwischenschritt, und das EU-Parlament muss noch dazu Stellung beziehen, bevor die Regeln irgendwann Rechtskraft erlangen können. Der Vorstoß von Scholten kann aber auch als Botschaft an die eigene Partei verstanden werden. Im vergangenen Februar hatte eine Gruppe von Realo-Grünen, darunter auch einige prominente Niedersachsen, genau jene Verschärfung des EU-Asylrechts gefordert, gegen die jetzt Scholten und die Grüne Jugend so erbittert argumentieren.