In der Landespolitik lassen SPD und Grüne, die seit 2022 gemeinsam regieren, nichts auf ihr gutes internes Klima kommen. Fragt man führende Sozialdemokraten, so hört man als Antwort, das Vertrauensverhältnis zum jeweiligen Gegenüber bei den Grünen sei sehr gut. Umgekehrt ist es ähnlich, wenn man sich bei Grünen-Vertretern erkundigt. Da mag es noch so viele Ungereimtheiten geben in der Verkehrspolitik, noch so viel Streit um das Für oder Gegen von Autobahn-Neubauten und Bahnlinien - die Harmonie ist beiden Partnern wichtig. Bisher geht das recht gut, obwohl doch auch zwischen SPD und Grünen die Gereiztheit zunimmt. Das liegt vermutlich daran, dass generell die Empfindlichkeit in den öffentlichen und internen Auseinandersetzungen größer geworden ist. Und die Stimmung bei den großen Parteien, bei SPD und CDU, ist angesichts der bescheidenden Ergebnisse in den bundesweiten Umfragedaten auch nicht gerade gut.

Die spannende Frage ist, wie es SPD und Grüne in Hannover immer wieder schaffen, nach außen weitgehend streitfrei zu erscheinen. Ordnet sich der eine Partner dem anderen unter? Nein, ausschlaggebend scheint vielmehr eine besondere Konfliktminimierungsstrategie zu sein, über die ein Koalitionsmitglied kürzlich in einem internen Treffen einige Details hat fallen lassen. Als Beispiel wählte er das neue Polizeigesetz, dessen Entwurf erst vor wenigen Tagen von Innenministerin Daniela Behrens (SPD) an den Landtag geleitet wurde. Die Ministerin verzichtete aus diesem Grund auf eine Pressekonferenz, was aufmerksame Journalisten schon misstrauisch stimmen musste. Jetzt aber schält sich folgendes heraus: SPD und Grüne sind in vielen Detailfragen, etwa zum Einsatz von KI in der Videoüberwachung oder zum Betrieb von Bodycams der Polizei bei Einsätzen zur häuslichen Gewalt in Wohnungen, sehr wohl unterschiedlicher Ansicht. Beide Seiten verzichteten aber darauf, diese Konflikte jetzt auszuräumen. Sie verständigten sich vielmehr darauf, den Entwurf der Innenministerin erst einmal im Landtag zu beraten - um dann, mehr oder weniger unter den Augen der Öffentlichkeit, über viele Detailfragen ausgiebig zu diskutieren und auch zu streiten.
Das Verfahren ist mutig - bleibt doch die Gefahr, dass dann unter Rot-Grün die Fetzen fliegen. Oder aber es tritt der Effekt der Disziplinierung ein: Da man ja öffentlich streitet, muss man immer bemüht sein, mit keiner Äußerung den Koalitionspartner zu beschädigen. Wie auch immer: Wir dürften gespannt sein. Die Grünen übrigens, seit dem Frühjahr im Bund in der Oppositionsrolle, sorgen sich in Niedersachsen gerade besonders um ihr Image. Beim jüngsten Landesparteitag wählte der Vorstand extra das Thema Wirtschaftspolitik, um seriöse Bürgerlichkeit hervorzuheben und nicht in Gefahr zu geraten, als linke Sektierer wahrgenommen zu werden. Das klappte nur eingeschränkt, denn als es um das Thema "Wehrpflicht" ging, rutschte dem Vorsitzenden der "Grünen Jugend" der folgende Satz heraus: "Wir haben keinen Bock auf so einen Pflichtdienst." Daraufhin entgegnete ein Delegierter, der damit überhaupt nicht einverstanden war, mit den Worten: "Putin lacht sich schlapp, wenn er davon hört." Wie auch immer: Die Grüne Jugend setzte sich am Ende durch - und die Grünen in Niedersachsen rückten damit nicht nur von der Wehrpflicht ab, sondern sendeten auch das Signal aus, junge Leute hätten keine Lust, ihr Land gegen einen Angreifer zu verteidigen.
Der Rundblick von heute befasst sich mit diesen Themen:
Rettungsdienst in der Kritik: Im Kreis Hildesheim werden Vorwürfe lauter, das Konzept des Notfalldienstes sei nicht ausreichend. Die Zeiten bis zum Erreichen des Unfallortes dauerten zu lange. Die Sache beschäftigt bald den Landtag.
Erbbaurecht: Im Streit um die Erneuerung von Erbbaurechtsverträgen will Rot-Grün jetzt die Klosterkammer zum Einlenken bewegen. Einige Vorschläge gehen sehr weit und dürften deutlichen Widerspruch auslösen.
Terrorgefahr: Vor zehn Jahren erschütterte die Absage eines Fußballspiels in Hannover die ganze Nation. Wir blicken zurück und erläutern, was damals geschah und wie groß die Gefahr tatsächlich war.
Personalien: Uni-Präsidentin geht, CDU rügt Julia Hamburg, neuer Chef bei Rossmann und Lob vom Wirtschaftsminister für die Große Koalition im Bund.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Woche - samt interessanten Debatten im Landtagsplenum, das von Dienstag bis Donnerstag geht.
Klaus Wallbaum


