Glücksspiel-Studie: Kommunen sind mit illegalem Markt überfordert
Seit Jahren wird um den sogenannten Graumarkt beim Online-Glücksspiel gerungen, mit dem aktuellen Staatsvertrag soll dieser nun ab dem Sommer legalisiert und bundesweit einheitlich geregelt werden, damit dessen Wachstum im Schatten ein Ende hat und sowohl für Unternehmen aber auch für Spieler klare Regeln gelten. Der Fokus auf die Welt des Internets hat den Blick auf den illegalen Markt in den Städten in den vergangenen Jahren etwas verstellt.
Eine Studie des langjährigen Geschäftsführers des Arbeitskreises gegen Spielsucht, Jürgen Trümper, im Auftrag der Automatenwirtschaft, die dem Politikjournal Rundblick vorliegt, macht nun deutlich: Der illegale Glücksspielmarkt in den Städten blüht. Er findet häufig hinter verschlossenen Türen statt, in Betrieben, in denen es nur zum Schein ein gastronomisches Angebot gibt. In Wirklichkeit geht es um viel Geld und um Spiele, die in den legalen Glücksspielbetrieben nicht erlaubt sind und bei jeder Prüfung des Ordnungsamtes auffliegen und geahndet würden.
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Die Prüfung der illegalen „Spielhöllen“ ist indes gar nicht so einfach, das räumt auch Trümper zu Beginn seiner Studie ein. Gespielt wird heimlich in geduldeten Sportwettannahmen, in Vereinsheimen oder in Pseudo-Lokalen, in die niemand geht, um Pommes zu essen oder ein Bier zu trinken. Trümper hat in dreieinhalb Monaten fast 1150 solcher Spielstätten in zehn Bundesländern besucht, darunter auch in Niedersachsen, und musste sich nahezu immer auf seine Beobachtungen verlassen. Es seien immer Momentaufnahmen , „Fehlbeobachtungen“ seien in Einzelfällen möglich. Erwünscht war Trümper in den Betrieben ohnehin nicht, wurde teilweise auch bedroht.
Über Betriebe des illegalen Glücksspielmarktes existiert kein Adressverzeichnis.
Er schreibt: „Häufig endete die Begehung vor Türen mit der Aufschrift ‚Privat‘, ‚Nur für Personal‘ oder ‚Zutritt verboten‘, beziehungsweise am erklärten Widerstand anwesender Personen bereits im Eingangsbereich eines Objektes. Oftmals waren zum Beispiel die Spielgeräusche von Automaten hinter einer geschlossenen Tür zu hören.“ Hinzu kam, dass es gar nicht so einfach war, die Orte zu finden. „Über Betriebe des illegalen Glücksspielmarktes existiert kein Adressverzeichnis“, stellt Trümper fast schon humoristisch fest.
Hannover: Illegale Fungames in 30 von 47 Betrieben
Ein Ergebnis der Studie ist für den Glücksspielexperten die Bobachtung einer Renaissance der sogenannten „Fungames“. Bei diesen Automaten wird nicht wie im legalen Glücksspielbetrieb stark reglementiert um Geld gespielt, sondern nach einem Münzeinwurf um Punkte. Die können allerdings auch Bargeld wert sein, das nach dem Spiel illegal über die Theke wandert. Das Geld landet in der Regel in schwarzen Kassen, und das Glücksspiel in der verborgenen Illegalität ist schwer nachzuweisen. Trümper schreibt, dass in der Regel weder Betreiber noch Spieler über Gewinne oder Verluste sprechen. Wie das Online-Glücksspiel in den vergangenen Jahren sind auch „Fungames“ seit über zehn Jahren verboten – eigentlich.
In der Illegalität blüht der Markt und hat sich der Studie zufolge in der Fläche ausgebreitet, es handle sich nicht um ein Problem einzelner Kommunen. In 72 Prozent von 115 geprüften Kommunen konnte er solche Automaten bei Begehungen dokumentieren. Niedersachsen bildet hier keine Ausnahme. In Hannover fand Trümper in 30 von 47 besuchten Betrieben illegale „Fungames“, in keinem einzigen Betrieb gab es nichts zu beanstanden. In Braunschweig gab es in nahezu der Hälfte der 16 Besuchten Betrieben „Fungames“ und in ebenso vielen illegale Automaten oder anderen Spielen und keine Aufsicht. Kein anderes Bild ergab sich in Osnabrück, Peine und Gifhorn.
Trümper: Kommunen sind überfordert
Für Trümper liegt die Entwicklung auch an überforderten Kommunen. Die Ordnungsämter litten „unter Personalmangel und Informationsdefiziten im Erkennen von ‚Fungames‘“.Flächendeckende Außenkontrollen fänden, wenn überhaupt, in vielen Kommunen nur unzureichend statt. Wer also die illegalen Automaten aufstellt, hat nur ein geringes Risiko, dabei erwischt zu werden, und wenn er erwischt wird, kann er die Bußgelder häufig aus der illegalen Portokasse bezahlen. Für die Spieler wiederum gibt es bei solchen Spielen keinen Schutz, keine Verlust-Beschränkungen und bei so manchem „Wirt“ will man vermutlich lieber keine allzu hohen Schulden haben. Für die legalen Glücksspielunternehmen, die seit Jahren durch den wachsenden Online-Markt unter Druck sind, ist der illegale Markt in den Städten ein weiteres Problem. „Fungames“ führten „zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten seriöser Automatenaufsteller“, so Trümper. Zumal die illegalen Automaten attraktiver werden, je größer die Restriktionen im legalen Bereich ausfallen.
Es sind nicht nur „Fungames“, mit denen in dunklen Ecken illegal Geld verdient wird. Trümper kam illegalen Sportwetten, Pokertischen, Brettspielen sowie virtuelle Pferde- und Hunderennen auf die Spur. Er sah in drei Prozent der untersuchten Betriebe auch auffällig junge Menschen, die ohne Aufsicht an Automaten spielten – nach dem Ausweis und ihrem Alter konnte er sie allerdings nicht fragen. Frauen liefen ihm dagegen kaum über den Weg – illegales Glücksspiel ist eine Männer-Domäne. Gerade einmal drei Prozent der Gäste in den Betrieben waren weiblich. In seinem Fazit plädiert Trümper für ein entschiedenes Vorgehen gegen „Fungames“.
Dazu brauche es eine gemeinsame Initiative von Legislative, Exekutive und Judikative, um die Geräte aus dem Markt zu entfernen und illegale Standorte zu schließen. Die Behördenmitarbeiter müssten besser geschult werden, und es müssten Task Forces entstehen, denen unter anderem Mitarbeiter der Innenministerien, Ordnungsämter und Staatsanwaltschaften angehören müssten. „Der Rechtsstaat darf vor illegalem Glücksspiel nicht kapitulieren, sondern muss geltendes Recht umsetzen“, so der Autor der Studie.
Von Martin Brüning